Sonntag, 26. Juli 2015

Kommentare: Drei Ökonomen, drei Welten, keine Realität

Bringt eh nix. Aber wenn bereits am Samstag-Morgen der Zorn vor dem Kaffee ins Hirn steigt, dann muss ich halt schreiben. Kommentare auf die Kommentare im Wochenend-Standard – erinnert mich an Southpark.

Zusätzliche Anmerkung: Die Griechenland-Klischees sind nicht mehr witzig! Millionen sind verarmt. Hunderttausende im tiefsten Elend. Die Kindersterblichkeit ist erschreckend hoch. Hunderte begingen Selbstmord. Also lasst die “Amphoren”-Metapher stecken, wo sie her kommt.

Erhard Fürst... 

hat Recht oder - grammatikalisch richtig - hätte, würden die Umstände existieren, die er nennt. Die Syriza hätte die Prinzipien Europas nur dann mit Füßen getreten, wenn Europa ein korrumpierter Selbstbedienungsladen für private Finanzinstitute wäre. Trotz EU-Vertŗäge, die die EZB tatsächlich zum Futterautomaten der Privat-Banken macht, ist es etwas anderes. Für uns, die nicht ein unverschämt hohes Einkommen mit regelmäßig falschen Prognosen und ökonomischem Märchenerzählen verdienen ist Europa mehr. Etwas, wofür die „radikalen“ Linken – die eigentlich nur echte Linke sind – kämpften.

Verschuldungsanteil des BIP bei 100%? Aber woher kommt's? Die Schulden in Griechenland stiegen erst mit der 2010er-Krise und die wurde von einem panischen Markt ausgelöst, der schon lange nicht mehr zu kontrollieren ist. Die Sparpolitik der Troika machte es nicht besser.
Dennoch unterstellt Fürst der Syriza „Chaospolitik“? Und alle, die Varoufakis Anerkennung zollen, sollten sich schämen?

Aha! Argument? Bringt er keines. Wir sollen gefälligst die Welt so sehen wie er, damit seine Meinung stimme: Die finanziell festgefrorene Regierung in Athen hätte Reformen durchführen müssen, auch wenn diese ihr bisher aufgrund diverser Einmischungen nicht möglich waren.
Auf keinen Fall sollten wir außerhalb seiner Sichtweite erkennen, dass die  Finanzwirtschaft selbst systematische Ursache ihrer eigenen und unser aller Probleme ist.

Helmut Jeglitsch...

probiert hingegen etwas Neues: Griechenland wäre eigentlich seit der Antike eine Plutokratie und daher traditionell korrupt. Er meint eigentlich „Oligarchie“, will aber keine Vergleiche mit anderen Ländern und Völkern provozieren. Sonst könnte man ja feststellen, dass es Korruption auch woanders gibt, nur institutionalisiert und globalisiert anstatt archaisch-familiär.

Nächstes Märchen: Die mythischen Hintergrundreichen und ihr Schwarzgeld wären quasi Krisenursache. Würden sie nur ihre Steuern zahlen, dann wäre alles wieder gut. Obwohl er zum Schluss selbst zugibt, dass die Schulden nicht zurückzuzahlen sind.
Er merkt auch an, dass man (letztlich durch Eurostat) damals wusste, dass die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone zu früh käme . Dennoch wäre der Beitritt die Schuld der Statistiken manipulierenden Griech_innen? Diese schlauen Schurken!? Niemand sollte so naiv sein, Jeglitsch seine Naivität zu glauben.

Nicht nur, aber vor allem deutsche Unternehmen profitierten vom gemeinsamen Euro und den Waffengeschäften mit Griechenland. Jetzt, nach dem Profit, will Schäuble den Grexit. Das ist das selbe Vorgehen oder Vergehen, das Jeglitsch den heimlichen Drahtziehern in Griechenland vorwirft.
Aber wenigstens bezeichnet er nicht das ganze griechische Volk als Kriminelle. Ein Novum. Auch hat er Recht, was nötige Steuerreformen betrifft. Allerdings: Wie viele Steuern zahlt z.B. Starbucks (Sparbucks) in Deutschland? Da wird doch keine (globale) Plutokratie dahinter stecken?

Yanis Varoufakis...

schätze ich, eh klar, so als linke Chaos-Zecke. Aber ein Bisserl weniger Pathos fände ich  leserlicher. Und der zu erreichenden Öffentlichkeit würde weniger Ökonomen-Sprachlichkeit gefallen. „Ausbruchsgeschwindigkeis-Größenordnung“? Ich hoffe, das ist nur ein Nebenprodukt der Übersetzung.
Der Plan liest sich ansonsten schön und gut an, aber beinhaltet zu viele Faktoren, die allesamt so bleiben oder sich entwickeln müssten, wie Varoufakis sich das vorstellt, damit er funktionieren würde. Erinnert an Volker Pispers: "Wirtschaftsexperten (...) Menschen die hochrechnen wie die Welt in 30 Jahren aussieht, wenn alles so bleibt wie es ist."

Dass die Troika, Euro-Finanzminister_innen und -Regierungschef_innen zum Plan nur geschwiegen hätten, wundert mich nicht. Keine Antwort ist auch eine Antwort: Es fehlte ihnen die direkte Aussicht auf eigenen Profit.

Fazit: Alle drei Ökonomen leben in ihrer eigenen theoretischen Welt, die sie an ihre Vorurteile und Bedürfnisse anpassen; die aber nicht mit der Komplexität der Realität, den Zufällen, Ausfällen und Kriminalfällen mithalten kann. Und vor allem nicht, mit dem Wahnsinn und der Blödheit der Berufspolitik.


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