In Kürze zur Demokratie: Dieses
Regierungssystem, unabhängig von jeweiliger Verfassung, benötigt
die freiwillige und bewusste Akzeptanz des Großteils seiner
Mitglieder, um als solches zu funktionieren. Freiwillige und bewusste
Akzeptanz bedeutet: Ohne äußere oder innere Nötigung; und um die
demokratischen Funktionen, Rechte und politischen Prozesse wissend.
Die verehrten Philosophen der Antike, die bis in die Theorien
der Aufklärung und Moderne wirken, haben in einer Hinsicht unrecht:
Die Demokratie ist nicht die schlechteste Verfassung, das
schlechteste System, das sich lediglich durch geringstes
Korruptionsrisiko auszeichnet.
Die Demokratie ist das beste
System, allerdings mit den höchsten Ansprüchen und der breitesten
Verteilung der politischen Verantwortung. Dies betrifft nämlich alle
ihre Mitglieder.
Die Demokratie ist ein „Mann- und
Frauschaftssport“, nichts für Faule oder Asoziale.
Sie ist
keine Diktatur der Mehrheit gegenüber den Minderheiten, denn ohne
das Einverständnis ihrer einzelnen Gruppen funktioniert sie nicht;
die Demokratie muss also für alle ihre wirkenden Mitglieder gerecht
sein, ansonsten ist sie Pseudodemokratie.
Tatsächliche
Unmündigkeit
Eine Bevölkerung, die kaum über Fakten
verfügt, deren Informationen manipuliert bzw. manipulativ sind, die
direkt belogen, direkt oder indirekt von Informationen ausgeschlossen
wird, ist genauso unfrei, wie eine Bevölkerung, der von Seiten
fremder Staaten politische Prozesse und Situationen aufgezwungen oder
von eigenen Mitgliedern, ohne Mitsprachemöglichkeit der übrigen,
diktiert werden. Eine solche Bevölkerung ist faktisch unmündig,
behält sie auch das dann tote Recht auf Mündigkeit, das sie
praktisch nicht in Anspruch nehmen kann.
Selbst-Entmündigung
In
den wenigen Demokratien dieser Menschenwelt, entmündigt sich die
Bevölkerung vielfach selbst. Dies wird großteils von den
politischen und wirtschaftlichen Eliten ausgenützt, die diese
Selbstentmündigung vorantreiben.
Sie treiben die mangelnde Kenntnis, das
mangelnde Interesse ihrer Mitbürger_innen am eigenen Staat, der
eigenen Politik schrittweise voran, indem sie mediale
Berichterstattung entsprechen uninteressant und informationsarm
gestalten, ihre interne und externe Kommunikation in eine
Sprachlichkeit hüllen, deren Codes nur Eingeweihte verstehen können;
die zudem auf eine Aneinanderreihung von Floskeln und Wiederholungen
aufbauen, die einem unaufmerksamen Publikum undifferenzierbar und als
bedeutungsloses „Geschwafel“ erscheinen muss.
Dank dieser
professionell-rhethorischen Gleichschaltung der politischen
Kommunikation – deren Zweck auch das Vermeiden direkter Lügen,
zugunsten indirekter Unwahrheiten ist – und der steten Anpassung,
Wiederholung, Fortsetzung in etlichen Medien, werden große Teile der
Bevölkerung von dieser, vom öffentlich-politischen Diskurs
ausgeschlossen. Diese Entmündigung baut auf der Selbst-Entmündigung
auf.
Dolchstöße in den Rücken der Demokratie
Anstatt
also für den Erhalt ihrer Demokratien zu sorgen, indem sie sich um
Mündigkeit ihrer Mitbürger_innen kümmern, diese möglicherweise
zur Bemündigung verpflichten, nützen zu viele Eliten die Schwäche
ihres eigenen Systems zum persönlichen Vorteil aus. Sie nützen die
Unkenntnis und das Desinteresse zu vieler Menschen, um Fehler ins
System zu schmuggeln, die dessen Verfall fortsetzen.
Beispielsweise indem sie, wie in
Österreich, die Qualität des Bildungssystem verringern, notwendige
Reformen aussetzen oder verzögern. Da die faktische Mündigkeit
ihrer Bürger_innen aber die Grundlage jeder Demokratie ist, wäre
politische Bildung das wichtigste Unterrichtsziel in all ihren
Schulen.
Anstatt sich um die Aufklärung ihrer Kinder zu
kümmern, streiten die verantwortlichen Erwachsenen lieber über
religiöse Inhalte im Unterricht. Aber nicht das Bestehen eines
Religionsunterrichts ist problematisch, sondern das Fehlen von
Staatskunde, Politologie, Philosophie.
Europa der
Selbst-Unbewussten und Selbst-Befremdeten
Gerade der
EU-Wahlkampf 2014, aber auch frühere Debatten über die EU zeigen,
dass den rechtlich-mündigen Bürger_innen und Wähler_innen Europas
grundlegendes Wissen über das eigene politische System fehlt. Siehe
… …
Sie klagen über ein Gefühl der Fremdherrschaft durch
„Brüssel“. Dessen Ursache haben sie selbst mitzuverantworten.
Wer keine Ahnung von den Mechanismen seiner eigenen Politik hat,
dessen Politik wird – früher oder später – von Anderen bestimmt
werden.
Das Unterscheidenkönnen von Politik und Berufspolitik
spielt hierbei eine Hauptrolle. Niemand kann verhindern, „politisch“
zu sein: Auch das völlige Desinteresse oder das Nichtwählen tragen
zur Politik bei, weshalb die Verantwortung und Macht nicht alleine
bei den Berufspolitiker_in liegen kann.
Ich weiß auch nicht,
woher die ganze Dummheit kommt
Wer eine Gruppe von
Abgeordneten ins EU-Parlament wählt, die dieser Institution, durch
die sie Amt, Legitimation und Lohn erhalten, zugleich den Krieg
erklären, begeht einen schweren Denkfehler. Dieser ist moralisch
gleichzusetzen mit der Dummheit, schwer betrunken ein Auto zu fahren.
Diese Anti-EU-Abgeordneten klagen die EU an, Steuergelder zu
vergeuden, die sie mit ihrem Amt selbst in Anspruch nehmen, ohne
jedoch, nach Eigendefinition, dafür arbeiten zu können. Oder wie
kann jemand für die EU arbeiten, der sie zugleich offen ablehnt?
Niemand würde einen vorgestraften, bekennenden Pädophilen in einem
Kindergarten arbeiten lassen.
Die Scheinheiligkeit dieser
Berufspolitiker_innen ist so unübersehbar wie die Sonne am klaren
Tageshimmel. Würden Österreicher_innen oder Deutsche heimische
Schwätzer in ihr nationales Parlament wählen, wenn diese
ankündigten, dieses mitsamt dem Staat abschaffen oder aus ihm
austreten zu wollen?
Wer würde solche Politker_innen ernst
nehmen? Welche Ausreden gebe es für solch eine Dummheit? Und woher
kommt diese bei den Wahlen zum EU-Parlament mittlerweile
wahrgewordene Dummheit? Zu einem guten Teil von der schlechten
Informationslage eines ausreichenden Prozentsatzes der europäischen
Wähler_innen.
Forderungen
Ich fordere daher,
dass die Berufspolitik (in der EU) dazu verpflichtet wird, ihre
Bevölkerung über jegliche sie betreffende Vorhaben und Aktivitäten
wahrheitsgemäß und in allgemein verständlicher Sprache zu
informieren. Dass es Berufspolitiker_innen verboten wird, die
Unwissenheit ihrer Mitbürger_innen zum eigenen finanziellen oder
machtpolitischen Vorteil (oder dem ihrer Partei) auszunützen.
Das vorsetzliche Nichterfüllen dessen bzw. der Verstoß dagegen
sollte, mittels konkreten Gesetzen, schwer, zudem mit einem „Berufs-“
bzw. Amtsverbot bestraft werden. In diesem Kontext sollte über eine
leichtere Aufhebung der Amts-Immunität nachgedacht werden.
Es
versteht sich auch von selbst, dass Institutionen der EU und ihrer
Mitgliedsstaaten zur völligen Transparenz für ihre
Bürger_innen verpflichtet werden sollten. Geheimniskrämerei ist das
Geschäft von kriminellen Organisationen und Diktaturen.
Mündigkeit
als Pflicht
Ich fordere außerdem, dass die Mündigkeit der
Bürger_innen unserer Demokratien nicht als Recht, sondern (zuerst)
als Pflicht aufgefasst wird. Jemanden zur Mündigkeit zu berechtigen
ist genauso sinnlos, wie jemandem das Recht auf Vernunft oder
Mitgefühl ins Gesetz zu schreiben.
Das Mensch kann sich nur
selbst bemündigen, frei und willig. Es wäre jedoch die Pflicht der
Gesellschaft, also auch der Berufspolitik, alle erdenklichen Mittel
dafür zur Verfügung zu stellen, anstatt sich ihr in den Weg.
Die
Strafe für Selbst-Entmündigung ist natürlich automatisiert bereits
vorhanden. Sie schadet jedem, der sich ihr unterwirft, den eigenen
Interessen, macht sie zu geistigen Sklaven anderer. Mir wollen keine
schärferen Sanktionen einfallen.
Aber vielleicht gelingt es,
dass Gewissen der Mitbürger_innen zu berühren; vielleicht mit Hilfe
der Medien. Dies wäre eine bessere Verwendung von Steuergeldern, als
die Selbstbeweihräucherung gewisser Amtsträger_innen in von uns
allen bezahlten Anzeigen.
Die Macht in uns
Selbstverständlich
weiß ich, dass meine Forderungen für sich allein keine großen
Folgen haben werden. Aber die Macht der demokratischen Gesellschaft
geht von jedem einzelnen ihrer Individuen aus. Wenn ein Mensch
zunächst in der Lage ist, Kenntnis von gewissen Dingen zu erlangen,
über sie nachzudenken, sich eine Meinung zu bilden und diese dann
wieder zu geben, dann ist das politische Macht.
Es ist letztlich
die einzig wahre Macht, die ein Individuum überhaupt erlangen kann.
Jede andere Macht bedeutet stets Schuld und Abhängigkeit gegenüber
anderen, erzeugt also zugleich eine gewisse Ohnmacht. Nur das
eigenständige Denken ist freie Macht und macht frei.
Und wenn genügend andere die
Forderungen und Ideen einer/s Einzelnen unterstützen, nimmt sie
irgendwann Einfluss auf die gesamte Gesellschaft, den gesamten Staat.
Was im Kopf, in der Stimme, vielleicht auf dem Internet-Blog
einzelner Menschen entsteht, kann unter gewissen Umständen die Welt
verändern. Es gibt also keine Ausreden, kein Entkommen vor der
politischen Verantwortung jedes erwachsenen Menschen.
Der
Kalte Krieg unserer Tage: Anti- VS Demokratisch
Im Übrigen
ist dieser Tage nicht mehr der Konflikt zwischen „Links“ und
„Rechts“ bedeutsam, sondern jener zwischen Demokratisch
und Antidemokratisch. Die Linken und Rechten in Europa haben
sich gleichermaßen als eines von beidem erwiesen.