Mittwoch, 15. Juli 2015

Aufklärung zur Griechenland-Euro-Krise: Spießige Punkte

Es gibt Vorurteile, die in der Griechenland-Europa-Krise das Wesentliche verschleiern.

Die Deutschen sind eben kühl kalkulierende Geschäftsleute?
Das ist zwar keine Mentalitätsfrage, könnte aber teilweise stimmen. Sie kalkulieren, aber nicht kühl, sondern falsch. Der Vorteil, den die Verhandlungs-Hegemonie auf EU-Ebene bringt, wird verspielt, wenn sie ihren EU-Absatzmarkt weiterhin beschädigen. Das tun sie nachweislich durch Exportüberschuss und Austeritätsdiktaten.

Die Deutschen sind die neue Hegemonialmacht?
Sie haben eine auf Sand gebaute Vormachtsstellung erlangt. Denn nur in der europäischen Gemeinschaft kann ihre starke Position direkt zu bilateralen, europaweiten Ergebnissen führen. Missbrauchen sie ihre Macht, verliert sich  früher oder später der Zusammenhalt in der EU, der diese Macht garantiert.

Die Deutschen sind wieder einmal die Bösen?
Die meisten Finanzminsiter_innen im Euroraum sind Bewohner_innen der konservativen Ideen-Einöde. Nicht nur Deutschland forcierte und forciert den Neoliberalismus. Beinahe alle EU-Mitglieder des ehemaligen Ostblocks, inklusive Finnland, unterstützen den finanz-ökonomischen Fanatismus einer markttechnisch abergläubischen Schuld-und-Sühne-Politik gegenüber Griechenland. Diese ist nicht nur moralisch falsch, sondern auch wirtschaftlicher Wahnsinn. Nur die Asgeier der Finanzwirtschaft profitieren vom Totalausverkauf des griechischen Staates und dem Verlust seiner Souveränität.
Abegsehen davon: Auch belgische Abgeordnete des EU-Parlaments beleidigten griechische – weil es Linke wären. Und letztlich ist jede Mitgliedsregierung, die nicht gegen die Griechenland-Auflagen wenigstens protestiert, politisch für sie mitverantwortlich.
Die schärfste Kritik an der deutschen Politik kommt immer noch aus Deutschland. Das deutsche Polit-Kabarett ist hierbei zu empfehlen.

Die jüngsten Verhandlungen kamen zu einem guten Abschluss (für den Rest Europas)?
Eigentlich steht man wieder am Anfang. Die Syriza müsste weit mehr brechen als ihre Wahlversprechen, wenn das griechische Parlament den Troika-Auflagen zustimmen würde. Was danach kommt sind vielleicht Revolte und/oder Neuwahlen.
Die führen entweder zu einer Regierung mit wirklich negativen Radikalen. Oder zu einer der alten Regierungsparteien. Es könnte auch sein, dass sich die Griech_innen unter der Syriza stillschweigend ihrem Schicksal ergeben, was ihnen jedoch auch nicht helfen würde. Die Sparpolitik führt zu nichts anderem als weiter steigenden Schulden. Mit ihr kommt der völlige Kollaps irgendwann sowieso.

Hilfsgelder?
Falsch: Hilfskredite. Der größte Nettozahler ist auch der größte Kredithai. Du kannst deine Schulden nicht bezahlen, weil ich deine Vorgänger dazu gezwungen habe, ihr Geschäft kaputt zu sparen? Tja, dann schicke ich dir ein paar Freunderl aus der Privatwirtschaft, die dein Staatseigentum übernehmen werden. Aber vorher brech ich dir die Beine, damit du mir nicht entkommen kannst.

Griech_innen können nicht mit ihrem Geld umgehen? 
Griechenland hatte vor 2010 eine der höchsten Wirtschaftswachstumsraten in der EU. Sogar heute sind seine Banken flüssig. Nur die EZB hält sie aus politischen Gründen im Trockendock. Der Haushalt sah im Vergleich zu anderen EU-Staaten, die gerne das hetzende Maul aufreissen, auch nicht so schlecht aus, ehe die Austerität begann.
Doch der Finanzmarkt benötigt eine Karotte vor der Schnauze, um sich bewegen. Und solange die anderen Eurostaaten mit schlechter Presse, Drohungen und dem Angebot des griechischen Selbstmordes den privaten Markt fern halten, hat die neue Syriza-Regierung überhaupt keine Chance, sich zu beweisen. Auch werden keine Investor_innen in eine Chance in dem kaputtgesparten Land sehen.

Die Griech_innen sind schuld?
Auch. Weshalb Reformmaßnahmen durchaus sinnvoll wären, für die es aber Zeit und Geld, eine Atempause von den Verhandlungen und echte Partnerschaften in Europa bräuchte.
Hätten die „Europartner“ (so hießen die damals noch) zudem vor oder in 2010 zu vernünftigen Maßnahmen gegriffen, wäre das Problem in Griff zu bekommen.
Man wusste schon damals, dass die Austeritätspolitik die Lage verschlimmern würde. Sogar ich wusste es und ich bin nicht gerade das Wirtschaftsorakel von Delphi. Für die Anhäufung der Schulden in diesem Ausmaß ist die griechisch-europäische Politik von damals verantwortlich. Die Syriza war damals noch nicht an der Macht, wird aber gestraft, auch wenn (oder vor allem weil?) sie es besser machen will.

Die Deutschen sind schuld?
Wir sind alle schuld! Europa ist ein Konglomerat! Und wir alle wählen ständig die falschen Regierungen.
Die Regierungen sind insbesondere verantwortlich: Sie bestimmen die EU-Kommissar_innen, die Chefs von IWF und EZB, stellen die Kandidat_innen des EU-Parlaments auf, ernennen die Finanzminister_innen, die in ihrer informellen Runde nicht viel weniger Macht ausüben.
In den Troika-Institutionen – IWF, EZB und EU-Kommission – wurde die Sparauflagen beschlossen, die niemals die Schulden Griechenlands erleichtern konnten, sie im Gegenteil erst zur untragbaren Last machten. Davor ging es dem Land relativ gut.

Es geht um Wirtschaft?
Es geht um Politik: IWF, EZB und EU-Kommission haben seit 2010 ihre Führung gewechselt. Die vom Boulevard zur „Königin Europas“ ernannte Angela Merkel saß damals schon auf ihrem Thron. Würde die Troika ihre sinnlose Griechenlandpolitik ändern – und von Seiten des IWF wird sie bereits als sinnlos umschrieben – käme das einer Verurteilung der verantwortlichen Politker_innen gleich.

Härte? 
In der Sprache der Sieger heißt „Härte“, „harte Auflagen“, „harte Haltung“, was eigentlich auch Sturheit, Dummheit und Schwäche heißen könnte. Wer sich in der Politik so sehr verhärtet, dass er/sie sich nicht mehr bewegen kann, behindert sich selbst, macht sich selbst handlungsfähig. „Das Balkenstarke stirbt keinen guten Tod.“, heißt es schon bei Lao-Tse.

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