Donnerstag, 31. Dezember 2015

Österreich: Das Jahr im Zug

Alter Anzugmann: Senkt sein Haupt über den papierenen Grabstein von Kultur und Anstand. Der Name der Republik draufgehämmert. "Österreich". Heimat. Seit hundert Jahren liegst du zwischen den Stühlen großer Treffen, großer Anzugträger. Recht hast du. Bleib ruhig liegen, halte still. Große Treffen, große Verhandlungen, große Worte: Kleine Klopfer auf die Schultern großer Anzugträger. Nichts verhallt auf Samt und Seide, nicht einmal Gerüchte. Alles auf später verschoben, wenn die Menschenmasse zu spät bemerkt, sie ist gefangen, versklavt, in Geiselhaft. Also still bleiben, Österreich, liegenbleiben! Das Elend durchwinken. Die Großen sollen sich darum kümmern.

Wir wissen wiedermal von nichts. Wir verschließen unsere Sinne, auf der Suche nach Identität. Kaiserin Sissi! Alles Singsang. Alles Bussi. Verherrlichte Sachertorte, du bist wie wir: Nicht ganz in allem, fader Querschnitt, geschmacklicher Durchschnitt. Nur nicht aufregen. Sedieren. Identitätssuche zwischen weltweit gleichgebauten Glasfassaden. Kaiser Franz-Josef. Erster Weltkrieg romantisiert. Der Zweite war doch eh viel schlimmer. Wann darf Eva Braun endlich im Musical singen? Nach dem nächsten Weltkrieg. Der Unterhaltungsindustrie bleibt nur die Vergangenheit. Für die Zukunft braucht's Verstand und Fantasie.

Deutsche Identität, ohne Deutschland zu mögen. Hassliebe. Passender Gefühlsschnitt. Enden verdrehen für den Dialekt. Aber Deutsch sprechna. Und wehe die Anderen können's nicht, das durchg'wunkna Elendna. Patriotisch.

Auch gegen den Feminismus. Gehört sich so. Nach wie vor: Die jungen Frauen hassen Augenbrauen und andere Haare, hyperventilieren beim Lachen, um nicht zu laut zu werden. Erlernen keine Höflichkeit, denn dafür sind die Männer zuständig, gefälligst. Den Mündigen wird das Sprechen überlassen, den Erwachsenen. Verniedlichung. Verkindlichung. Aussehen genügt. Prinzessinnen überall. Sissis. Keine Chancengleicheit. Akzeptiert. Dafür dürfen sie Plastikkrönchen tragen. Sei kein Spaßverderber, Stefan, ist doch alles nur Spaß! Party! Und jene Astrologin, bekannt im ganzen Land, erklärt anhand der Sterne, dass sie sich ihren Männern unterwerfen sollen. Quasi. Aber nicht ganz so, nicht in Kindersprache. Also akzeptiert. Gefälligst. Seltsames Wort.

Auch im neuen Jahr dann: Geldverdienen mit Sternleinfehldeuten. Geldverdienen mit Spekulation. Die Wiener Börse schlug andere Börsen mittels Kursgipfeln. Land der Berge. Tolles Jahr 2015. Für die Wiener Börse. Die Prinzessinnen verdienen immer noch weniger als ihre Prinzen. Auch im neuen Jahr dann.
Wenn alles barrierefrei sein wird. Laut Gesetz. Still blieben, liegen bleiben. Die Rollstühle werden vorüberrollen. Können eh nicht hinein.

Alte Heimat, ich fahre mit dem Zug und bringe dir was zum Saufna mit!

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