Montag, 21. September 2015

Westliche Werte: 3 Prinzipien gegen die Floskel-Partei Österreich

Konfusion: Westwert

Steven Erlanger, in der New York Times, hinterfragt die universale Gültigkeit „westlicher Werte“. HC „Rache“ Strache schwimmt auf der Flüchtlingswelle zur Nummer Eins.
Nachrichten und ihre Headlines: Es geht um „westliche“ Politik. Ihren Begriff, ihre Funktionsweise, ihre (befremdende) Wirkung. Doch unterhalb der Oberfläche der Berichterstattung offenbart sich weitverbreitetes Missverständnis in einer Zeit genereller Konfusion – wie mir scheint.

„Westliche Werte“

Gibt es nicht. Das, was man als solche betrachtet, variiert je nach politischer Einstellung „westlicher“ Menschen: Freie Marktwirtschaft oder Sozialwirtschaft, Kirchenideologie oder Säkularität, freies Geld oder freie Menschen.

Alle diese unterschiedlichen Ansätze haben gewiss einen gemeinsamen Nenner und Ursprung: Aufklärung (egal welchem Ziel ihre Denkinstrumente letztendlich dienen), Humanismus (egal welchen Weg zur Besserung von Mensch und Menschheit man bevorzugt), Demokratie (egal ob monarchistisch oder republikanisch tradiert, egal ob mit starken Repräsentant_innen oder starkem Volk).

Sprechen wir also nicht von unpräzisen Westwerten, sondern lieber von Aufklärung, Humanismus und Demokratie. Diese „Werte“ sind universal, ansonsten würde die ihnen zugrunde liegende Philosophie keinen Sinn ergeben. Dass sie aber Sinn ergiebt, zeigt sich in Fortschritt und Wohlstand der „westlichen Welt“.

Straches Welle

Österreichs hauseigener Ober-Rechtspopulist profitiere von der Flüchtlingswelle, die durch sein Land geht. Teilweise wird Medien und „linker“ (obwohl diese von einer Koalition aus Sozialdemokratie und Rechtskonservativismus regiert wird) Politik daran Schuld gegeben. Würden die Einen nicht berichten, die Anderen sich nicht – unabhängig von der tatsächlichen Leistung – für eine Solidarität mit den Flüchtlingen aussprechen, hätte Strache nicht so tolle Umfrageergebnise.

Hier ist genauer hinzusehen: Die mitregierende ÖVP und ihre erfolglose Innenministerin distanziert sich seit je her von einem „#FluechtlingeWillkommen“-Image – gerade weil sie im rechten Abgrund der Gesellschaft mit der FPÖ um Stimmen streitet. In der Steiermark und im Burgenland tat dies sogar die SPÖ – vergeblich.

Es ist auch leicht zu erkennen: Wenn Medien ihre Berichte zu typischen „FPÖ-Themen“ zensieren würden; wenn Satiriker_innen aufhören würden, sich über die FPÖ und ihre Entgleisungen lustig zu machen; wenn die wenigen Linken in der Regierung aufhören würden, linke Politik (siehe: Aufklärung, Humanismus, Demokratie) zu machen, wäre HC „Dandlerschmäh“ Strache dennoch erfolgreich bzw. wir hätten auch ohne ihn jene Zustände erreicht, von denen wir annehmen, dass er sie brächte.

FPÖ: Mehr Werbung als Politik

In der österreichischen Innenpolitik lässt sich schnell ein exemplarisches Beispiel finden: Der FPÖ-Spitzenkandidat für Oberösterreich behauptet, Flüchtlinge wären ins Land gekommen, um zu bleiben. Das ist falsch, wie vor allem seine berufspolitischen Mitbewerber wissen müssten. Dennoch blieb es quasi unwidersprochen.

Warum ist die FPÖ erfolgreich? Weil ihre politischen Gegner keine Rhethorik kennen. Sich artikulieren zu können, bedeutet noch nicht Redekunst zu beherrschen. Redekunst darf sich auf Inhalte stützen.

Die FPÖ-Kandidat_innen beherrschen wiederum nichts Anderes. Oft enden auch kritisch eingestellte Journalist_innen als thematische Zulieferer für die Polemik dieser Profi-Demagogen, während sie deren Schwachstellen (und davon gibt es abseits der Hetze eine Menge) unangetastet lassen.

Den freiheitlichen Redner_innen steht eine professionelle Propagandamaschine zu Seite. Die FPÖ macht wesentlich mehr Werbung als Politik. Es handelt sich um eine Marketing-Partei. Deshalb funktionieren ihre Konzepte bei den mental Benachteiligten und Bildungsfernen sehr gut, während die übrige Bevölkerung sie nicht ernst nimmt und gerade deshalb oft ihre Gefährlichkeit verkennt.

Universale Werte

Prinzip Aufklärung: Ihr genügt es nicht, über etwas zu berichten („Der Himmel ist blau.“). Sie muss Menschen dazu einladen, sowohl den Bericht zu hinterfragen als auch darüber nachzudenken, warum etwas so ist wie es ist – bestenfalls gemeinsam ("Stimmt es, dass der Himmel blau ist? Wenn ja/ wenn nein, warum?"). Das gilt auch für die Gesprächspartner_innen der FPÖ. Wer politische Debatten mit Floskeln führt, wird gegen die Floskel-Partei Österreichs verlieren.

Prinzip Humanismus: Dass Menschen einander zu Wohl verhelfen könnten ist zu allererst der Natur eingefallen. Nur wenn auch das gegenwärtig schwächste Mitglied einer Sippe von dieser versorgt wird, kann das gegenseitige Vertrauen innerhalb der Sippe bestehen. Nur durch dieses Vertrauen „investieren“ Individuen in die Gemeinschaft. Jeder und jede kann zum schwächsten Mitglied werden.
Übertragen auf den modernen Staat bedeutet das: Der Sozialstaat ist natürlich. Seine Schwäche resultiert nicht aus seinem Prinzip, sondern aus der Korruption, die sein System missbraucht.

Auch die Gemeinschaft der Staaten muss begreifen, dass früher oder später die Schwäche des einen Volkes zum Problem des anderen werden kann. Flüchtlinge zu ignorieren, auszusperren oder gar zu beseitigen führt unweigerlich zu einer Kette negativer Reaktionen, die das Problem vergrößert und ausweitet. Dieses Problem gemeinsam anzugehen, wäre nicht nur der intelligentere Weg, sondern auch der „natürlichen Menschlichkeit“ entsprechend.

Prinzip Demokratie: Die Demokratie lebt von einem aufgeklärten, kritischen, denkenden, das heißt wahrlich „mündigen“ Volk. Je unaufgeklärter, unkritischer (vor allem sich selbst gegenüber) und denkfauler ein Volk ist, umso bessere Chancen haben Volksverführer wie HC „Ich-Rap-So-Schä“ Strache.

Neoliberalismus, zahnlos-gesparter Journnalismus und schlechte Bildungspolitik sind in Wahrheit die Wellen, auf denen das Umfragehoch Straches surft. Flüchtlinge sind – wie beinahe zu jeder Zeit – nur eine willkommene Ablenkung von diesen Problemen.
„Ja, wenn die Flüchtlinge nicht wären...“, heißt es mittlerweile auch bei Anti-Rechtspopulist_innen. Die Gesellschaft muss jedoch zu jeder Zeit in der Lage sein, Wahrheit, Lüge und Zusammenhänge zu erkennen.

Man kann über die akademische Korrektheit meiner Auflistung streiten. Es wäre wünschenswert.

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