Dienstag, 21. April 2015

"Unser Meer" und die Flüchtlingskatastrophen



Die Tragödie


Vorgezeichnet. Da treffen sich hunderte Menschen, um der Opfer der jüngsten Mittelmeer-Flüchtlingskatastrophen (wie am Wiener Minoritenplatz) zu gedenken. Übrig bleiben sie als Hintergrund für die Bühne und Bilder mindesten eines anwesenden Berufspolitkers. Und wie auf der kleinen Bühne, ist's auf der großen. 
In ganz Europa beginnt das Politiker_innen-Profilieren in dieser Tragödie. Als wären sie alle erst seit gestern im Amt.

Begriffe

Mare Nostrum wurde eingestellt. Diese altrömisch-imperiale Bezeichnung bedeutet „unser Meer“. Das deutet unsere Verantwortung an, nicht allein jene Italiens. Für die Bedeutung von „Europäische Gemeinschaft“ braucht es kein Latein.
Auch wenn der nächste ertrinkende Flüchtling nemo nostrum ist... oder ist er nicht doch einer/eine von uns? Sind wir nicht das „christliche Abendland“? Beten fromme Rechtspopulist_innen eigentlich für tote Flüchtlinge? Fragen wir einmal die Pegida-Leute, die Identitären bei ihrem nächsten Spaziergang.

Worauf plädieren Sie?


Mare Nostrum wurde eingestellt. Die Folgen waren absehbar. Wenn von etwas mehr gebraucht wird, weil anonsten mehr Menschen sterben, ich nehme aber von dem Gebrauchten sehr viel weg, sodass mehr Menschen sterben: Bin ich dann ein Mörder? Oder könnte mein Anwalt es wie unterlassene Hilfeleistung aussehen lassen?

Mehr Gewalt oder mehr Verantwortung

Die EU-Chefitäten diskutieren aber nicht über Verantwortung. Sie wollen ihre Probleme mit Gewalt lösen. Die Operation Triton zielte vor allem darauf ab – neben einer Reduktion von Rettungsdiensten – Schlepper_innen und Fluchthelfer_innen gleichsam zu attackieren (weil das Gesetz die beiden nicht unterscheiden kann).
Von Expert_innen korrekt prognostiziertes Ergebnis: Mehr Tote. Nun will man einen Teil dieser Politik fortsetzen, die Militarisierung des Mittelmeerraums ausbauen.

Heuchler-Hilfe

Ein Mehr an Seenothilfe wäre schön. Aber nicht alle Regierungen werden damit einverstanden sein. Warum auch? Man hatte zuvor genug schlechte Gründe, die Hilfeleistung, jene Italiens, zu reduzieren: Um Flüchtlinge durch erhöhte Todesgefahr, steigende Opferzahlen abzuschrecken.

Allerdings: Diese Menschen mussten bereits Todegefahr überleben, ehe sie an Bord eines Fluchtbootes gehen können. Auch aufgrund einer global verdienenden Waffenindustrie, die mit jedem dieser Fluchtboote, das im Vorfeld nun zerstört werden soll, erneut Profit macht. Gewalt ist keine Lösung, sondern Ursache des Problems.

Hier ist der Plan (und das gratis)

Australien hat Konzentrationslager, die britische Presse hat „Ungeziefer“. Einige europäische Politiker_innen hätten das auch gerne. Aber Bella Italia hat etwas besseres: Riace.
Es ist nicht das einzige Dorf, das unter Überalterung und Abwanderung leidet. Doch schon Ende der 90er begann es Flüchtlinge aufzunehmen, diesen zu helfen, das Dorf zu beleben. Dafür brauchte es nicht viel Geld und vor allem kein Militär und keine Waffengewalt.

Disziplinierter Humanismus

Um eine solche intelligente Ver- und Zuteilung von heimatvertriebener Menschen in großem Stile zu organisieren, braucht es ein Wunder: Intelligente Politik und europaweite Zusammenarbeit. Z.B. indem man Operation Mare Nostrum wieder einführt, ausbaut und diesmal über Frontex-Gelder finanziert.

Es braucht auch einen bereits geforderten sicheren Korridor für fliehende Menschen, statt ein härteres Vorgehen gegen jene, die ihnen bei der Flucht helfen. Schlepper_innen, Fluchthelfer_innen und mit diesen die Flüchtlinge werden eine sichere Route erst dann wählen, wenn sie keine Strafe zu befürchten haben. Vielleicht mein der „UN-Flüchtlingskommissar“ das mit „legalem Fluchtweg“?

Das hätte mehrere positive Effekte/ böte Möglichkeiten:
+ Es würde Menschenleben retten.
+ Es erleichtert Absicherung und Kontrolle der Immigration,
+ Es erleichtert Identifikation und Kontrolle von Schleppern_innen und Fluchthelfer_innen. + Es ermöglicht eine gezielte Koordinierung von Emfpang, Registrierung und Weiterleitung von Flüchtlingen.
+ Es würde – weil die Flüchtlingsbewegung gebündelt – die Kosten und den sonstigen Aufwand für Grenzschutz und Überwachung senken.

Sobald ein solcher sicherer Korridor etabliert und die EU – anstatt Lampedusa allein zu lassen – geimeinschaftlich zur Aufnahme der Flüchtlinge verpflichtet wäre, könnten die Geflohenen in ganz Europa dort angesiedelt werden, wo es an Nachwuchs mangelt. 
Nicht um als Billigstlohn-Sklaven zu schuften, sondern um das vernünftigste und menschlichste aus einer unvermeidbaren und großteils von unserer Politik selbst verschuldeten Völkerwanderung zu machen: Menschenwürde und Leben ermöglichen. Das ist auch die beste „Waffe“ gegen Radikalisierung.

Übrigens ignoriere ich die Rechtspopulist_innen und ihre möglichen Reaktionen auf gezieltes Plus an Zuwanderer_innen völlig bewusst. Alles lässt sich irgendwie managen. Warum sollte man mehr Aufwand bei der Jagd auf Menschenschmuggler_innen im Äußeren betreiben, als bei der Jagd auf faschistische Attentäter_innen im Inneren?







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