Sonntag, 19. April 2015

Senfstau: Fast alles Gute und Schlechte

Stau. Lange nicht mehr politischen Senf abgedrückt. Das tut mir schlecht, ähnelt sexuellem Notstand. Überall tauchen attraktive Themen auf. Ehe ich das Eine erfasst habe, verführt schon das Nächste – in dieser irren Menschenwelt.
Der ganze Dummsinn in den Nachrichtenmedien! Vielleicht auch mein Sinn verdummt? Wie viel Zeit braucht's, das genau zu prüfen?

Weiß schon: Das Gute wird uns behüten, immer. Wir erkennen es. Es hat nicht unbedingt ein Gegenteil, nur das, was ihm im Weg steht, entgegenwirkt, zuwiderhandelt.
Weshalb man die Scheinheiligen auch leicht erkennen kann: Sie malen den Teufel an die Wand und erklären ihn zum Fürsten und Ursprung allen Übels; womit sie ihrem eigenen Gott widersprechen. Und wer sich im Glauben widerspricht, der oder die hat keinen Glauben; der oder die hat nur Religion. Das ist spirituelles Untertanentum allein.

Schlecht ist: Unterwürfigkeit. Sie kann schlecht existieren ohne die Unterwerfenden. Wo immer ein Mensch sein Selbst in den Dreck wirft und vor etwas zu kriechen beginnt – erscheint dieses auch freiwillig und jenes auch unsichtbar – ist Unvernunft und Ungerechtigkeit am Wirken.
Gut ist: Rebellion gegen Unvernunft und Ungerechtigkeit. Dabei stirbt man zwar leicht oder verliert seinen gemütlichen Bürojob, hat aber wenigstens als Mensch gelebt.

Schlecht ist: Astrologie – vor allem, weil die Abergläubischen sie mit Astronomie verwechseln.
Gut ist: Astronomie – weil sie die Astrologie als Lügenkonstrukt fauler Zeitungsmacher entlarvt; als die unterste Schublade der Esoterik. Andere Scharlatane geben sich wenigstens Mühe, ihre Konstrukte auf moderne Pseudowissenschaften zu stützen. Wer immer noch glaubt, dass die Erde das Zentrum des Universums ist, braucht ohnehin keine Zeitung. Dem oder der genügt der Boulevard.

Schlecht ist: Jede Oligarchie. Die Frage ist zu früh oder zu schlecht gestellt, ob NATO oder Putin mehr Schaden in der Ukraine anrichten. In deren Spiel gibt es keine Guten, bis jetzt auch keine Gewinner. Aber was macht ein Oligarch erneut an der Spitze dieses Staates, dessen Volk zuvor einen korrupten Oligarchen stürzte?
Gut ist: Das Volk, das sich gegen korrupte Oligarchien erhebt. Nenne diese und jene wie du willst. Taten ersetzen Titel.
Wer sich auf Kosten anderer bereichert, hat keinen Verlust zu beklagen. Nur das Leben, das kann kein Gläubiger vom Schuldner beanspruchen.

Schlecht sind: Dynastien. Im Geschenk des Lebens ist kein anderes Recht enthalten. Die Familien Bush, de Kirchner, Le Pen: Sie alle bilden Dynastien, sie alle verursachten Schaden in ihren Ämtern. Die Familie Clinton hätte auch gerne eine Dynastie.
Die Dynastie der Windsors des Königreichs der Briten allerdings ist mittlerweile nur noch eine Schmarotzerfamilie auf höchstem Niveau. Sie braucht die Monarchie überhaupt nicht mehr. Ihre Wirkung ähnelt jener der Astrologie. Teure Seelenbefriedung. Auch andere Familien haben niedliche Babys.

Gut ist: Heiße Demokratie. Lasst uns streiten! Der Pluralismus in der EU gilt als deren größte Schwäche, aber es ist das Beste, was diese Menschenwelt zur Zeit zu bieten hat. Vergiss Putin, Erdogan und die KP Chinas! Vergiss die USA! Das Europa zwischen West und Ost muss sich selbst behaupten; muss Gewicht gewinnen, um ein Gleichgewicht zu bringen. Die Verrücktheit des vielsprachigen europäischen Parlaments ist besser als der Wahnsinn des kalten politischen Dualismus und des einfältigen Wirtschafslobbyimus. Wir brauchen nicht die meisten Waffen oder die größte Industrie; unsere Stärke ist die Vielgestalt.

Schlecht ist: Die Griech_innen wider besseren Wissens auszubeuten. Wie viele von ihnen besaßen Hedgefonds? Auch wenn die Boulevard-Masse nichts von den Lügen wissen, die offenhörbaren Widersprüche nicht vernehmen kann oder will: Lügen bleiben Lügen, Widersprüche bleiben Widersprüche. Und niemand kann sich vor ihren Auswirkungen verstecken.
Gut ist: In Griechenland zu kämpfen. Wer soll es sonst tun? Wo soll es sonst geschehen? Die Finanzherrschaft und ihr Klerus ist übermächtig; nur sie können es sich leisten, aufzugeben. Warum sollte man eine Menschenwelt akzpetieren, in der vor allem jene zahlen müssen, die nichts zum Zahlen haben? Weil all die Deppen und Feiglinge wollen, dass wir es akzeptieren?

Schlecht ist: TTIP – Bei Verträgen geht es um deren Inhalt. Es kann uns wurscht sein, wer, wo, wann, wie diese verhandelt. Wenn sie deren Inhalte verheimlichen, müssen wir davon ausgehen, dass sie jenen schaden, vor denen sie verheimlicht werden. Diese Verheimlichungen sind kein Verfahrensunfall. Wenn Staatschefitäten politisch genötigt werden, für TTIP Werbung zu machen, obwohl sie selbst skeptisch sind, berechtigt das unser Misstrauen gegenüber der Macht internationaler Konzerne. Wenn Kommissarin Malmström behauptet, alles wäre ohnehin transparent im Internet zu finden, was wir wissen müssten, stören nicht nur ihre wiedergekäuten Je-eh-Floskeln. Es bedeutet auch, dass wir mehr wissen sollten, als wir so transparent im Internet finden könnten.

Gut ist: Widerstand gegen TTIP. Während das Aufbegehren gegen die vermeintliche Wasserprivatisierung ein Eigentor für die Rechte der Bürger_innen war; ist das TTIP bereits durch seinen Verhandlungsprozess ein politsches Problem geworden.
Selbst dümmliche Verschwörungstheorien und Halbwahrheiten halbinformierter Bürger_innen geben uns die Chance gemeinsam gegen etwas zu stehen, uns in etwas einzubringen, einzumischen, das ausnahmsweise tatsächlich Relevanz für uns alle hat. Es bringt sogar Rechtspopulist_innen und ihre Zombies dazu, gegen etwas zu grölen, das wirklich exisitert – ein Wunder. Der Widerstand gegen das TTIP bietet der EU auch die Möglichkeit herauszufinden, ob sie eine Union der Wirtschaftsbosse oder eine Union der Bürger_innen ist. Ein Sieg der letzteren hätte eine wichtige beispielgebende Wirkung – nicht nur für Europa.


Schlecht ist: Sich in dieser Form die Blöße zu geben. Man macht sich angreifbar.
Gut ist: Sich in dieser Form die Blöße zu geben. Man macht sich angreifbar.



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