Dienstag, 7. April 2015

Betrifft Standard-Interview mit Bernd Ahrbeck: Wer fürchtet sich vor Inklusion?

Wie kann man dieses Standard-Interview mit Bernd Ahrbeck - “Ziele von Inklusion in vielen Fällen realitätsfern” - zusammenfassen?

Natürlich! Natürlich ist er nicht gegen Inklusion. Wer wäre das schon? Außer genügend Nichtbetroffenen, die dieser Tage bereits bauliche Barriere-Reduktionen genießen, ohne es zu bemerken. Aber das ist ein anderes Thema.

Ahrbecks Kritik an der Inklusion ist nicht neu. Kurz: Wir müssten aufpassen, dass wir Menschen mit (besonderen) Behinderungen und daher besonderen Bedürfnissen nicht die Möglichkeit der exklusiven Sonderbehandlung wegnehmen. Daher müssten Sonderschulen und andere exkludierende Einrichtungen beibehalten werden.

Meint also: Weil manche Menschen mit Behinderung in regulären Schulen – so wie ein großter Teil aller Schüler_innen – nicht zurecht kommen, müssten alle M.m.B in die Sonderschule.
Warum nicht alle in die reguläre, entsprechend ausgestatte Schule dürften und nur im Sonderfall in einer Sondereinrichtung unterrichtet werden müssten? Schließlich wird bei jeder einzelnen Behinderungsform auch eine jeweils angepasste Therapie empfohlen. Es werden nicht Blinde, Querschnittsgelähmte und Spastiker_innen alle zur Hippotherapie geschickt, nur weil sie sich den Stempel “Behindert” teilen müssen.

Die typische Gut-Aber-Rhetorik suggeriert: Wir sollten die Mehrheit der Menschen mit Behinderung anhand ihrer Minderheit beurteilen (die offenbar Ahrbecks Spezialgebiet ausmachen). Wir sollten zudem die Menschen mit Behinderung an den (von Spezialisten wie Ahrbeck geschaffenen und) bereits bestehenden Einrichtungen anpassen; nicht die Einrichtungen an den Menschen.

Im Grunde ist die Sonderschule eine Form negativer Inklusion, einer Zwangsinklusion, durch die alle M.m.B in einen Topf geworfen werden, die Ahrbeck eigentlich meint – oder meinen sollte.

Aber vielleicht auch nicht. Der Mann studierte Pyschologie und Erziehungswissenschaft, also die so genannten Interpretations-”Wissenschaften”. Vielleicht versteht er deshalb nicht, dass die Zuschreibung “verhaltensgestört” eben keine akkurate Beschreibung der Seins-Wirklichkeit eines Kindes ist. Sie ist – so zu sagen – nur seine sprachliche Wirklichkeit.

Die nichtbetroffenen “Experten” hatten und haben stets das Sagen über die Betroffenen. Vielleicht wehren sie sich deshalb gegen Inklusion – gegen die sie “natürlich” nichts haben, unnatürlich allerdings schon. Inklusion würde einen Verlust ihrer Machtposition bedeuten.

Sollte diese seine Wirklichkeit, die er mit anderen teilt, den Fortschritt durch Inklusionspolitik verhindern? Nur weil er und seinesgleichen sich davor fürchten, dass das, was bisher nicht funktionierte, durch etwas ersetzt würde, das neu wäre.

Er muss sich zudem keine Sorgen machen. Es wird immer Menschen mit besonderem Betreuungsbedürfnis geben, um die sich Expert_innen kümmern können. Daran würde eine echte Inklusion aber nichts ändern. Das hat mit Inklusion auch gar nichts zu tun!

Die Berufspoltik tut zudem genug, um einer humaneren und fortschrittlicheren Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung barrierefreier aufwachsen, lernen und leben können, entgegen zu arbeiten bzw. sie anrennen zu lassen. Vor allem in Österreich, wo erst im letzten Jahr eine neue Sonderschule eröffnet wurde.

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