Freitag, 19. Dezember 2014

Pergida-Panik: Die wollen doch nur Christianisieren

Das kann man doch nicht vergleichen! Das muss man r e l a t i v i e r e n.

Keine Panik ihr Demokrat_innen! Auch wenn die Parallelen zwischen den „PatriotischenEuropäern gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA)“ und den Anfängen der Nazi-Tyrannei nicht zu leugnen sind. Statt Antisemitismus herrscht heute Antiislamismus, statt Zwischenkriegsarmut herrscht Dauerfinanzkrise und statt einer kriegsversehrten Gesellschaft beherrscht eine Generation von neoliberal Verwirrten unsere Demokratien.
Die Moslems und Muslimas sind – genauso wie es damals (und heute) die Jüdinnen und Juden waren – immer noch eine Minderheit in Europa. Dennoch wird der Islam, wie ansonsten das Judentum, pauschal als Gefahr für Kultur, Gesellschaft, Staat stilisiert. "Alles Verbrecher!", hieß es damals wie heute, war jedenfalls so gemeint.

Jedem das Seine

Die Nazipropaganda hatte ihre Lüge von der Weltverschwörung reicher, jüdischer Banker. „Pegida“ hat ihr Märchen von der Islamisierung des christlichen Europas. Auch die Nazis verwendeten bereits Begriffe wie "Abendland", die aus uralten pseudowissenschaftlichen Fehlversuchen entstanden und sich intellektuel selbst disqualifizieren. Man hätte mehr Berechtigung sich über die Verdisneyisierung des Star-Wars-Universums beklagen.
Außerdem dünstete damals wie heute eine gewisse Hysterie in der Gesellschaft, vor allem - dem Einkommen oder Vermögen nach - ganz Unten und ganz Oben, wo man entweder die Krise spürt oder Rebellion fürchtet.

Kein Vergleich

Aber nicht alles ist vergleichbar. Der Anführer dieser bürgerlichen Darmbewegung, Lutz Bachmann, hat eine kriminelles Vergangenheit, an die kam Hitler vor seinem (ebenfalls holprigen) Karrierestart nicht heran – auch wenn beide im Knast saßen. Adolf Hitler hatte auch kein Kind, dem er Alimente vorenthalten konnte.
Wie es um das Verhältnis Bachmanns zu Schnittblumen und Fleischprodukten steht, weiß ich nicht. Die einzige Gemeinsamkeit, die ich durchaus erkennen kann, ist das Interesse beider Führerfiguren für hübsche Bilder und PR; sowie ihre offensichtliche Midlife-Crisis.

Social Event


Es mag auch stimmen, dass auch die Nazis damals mit harmlosen, geselligen Social Events begannen. Früher traf man sich im Bierkeller, heute geht man halt - ganz gesundheitsbewusst – mit einem Haufen Plakaten und Flaggen „spazieren“. Das Ergebnis ist dabei das selbe: Es wird lauthals Schwachsinn gegrölt. Der Alkohol wird durch das Internet ersetzt. Aber ansonsten?

PatzeltchesParadoxon

Ich verstehe auch den Werner Patzelt sicherlich nur miss; erkenne fälschlich in seinem Standard-Interview nur Weichspüler-Argumente. Nicht wegen dem, was er sagt, sondern wegen dem Wesentlichen, das er nicht sagt. Abgesehen von seinem klar geäußerten Irrtum, dass das "normale Volk" nicht auch eine "Horde von Neonazis" sein oder werden könnte.
Nazi-Deutschland bestand hauptsächlich aus „normalem Volk“. Dabei waren nicht alle der damals Deutschvervölkten NSDAP-Mitglieder oder Rassist_innen oder einfach nur deppert.

Unseren Extremismus, für unsere Leut!

Das Problem mit dieser pegiden Volksmasse ist deren geistige Schwäche für antidemokratische Propaganda, die nur dazu dient, von den tatsächlichen Ursachen ihrer Probleme abzulenken: Den neoliberalen Finanzmärkten und ihren korrupten Netzwerken in der Berufspolitik.
Der Herr Politologe aber schreibt so, als wäre ein irregeführtes Volk, das seinen Unmut gegen die Falschen richtet, kein Problem, sondern ein Naturereignis; mit seiner blinden Wut im Recht. Die deutsche Politik müsse lediglich beruhigen, Konzepte zur Integration (nämlich der Migrantischen, also der Opfer) anbieten, rechtzeitig informieren...

Dann würde aus Erwachsenen, die jede Lüge der Boulevardmedien glauben, gescheite Leute werden. Aus paranoiden Soziopath_innen würden besonnene Humanist_innen; aus Heuchler_innen mit dem emotionalen Niveau infantiler Primaten würden vernünftige Menschen werden.
Und die eigentlichen Ursachen für ihren Frust, die nicht in der Integrationspolitik liegen, sondern in einem globalen verbrecherischen Misswirtschaftssystem, dessen Opfer auch die angefeindeten Fremden sind, würden sich dadurch vermutlich auch auflösen. Zauberei!

Wer mündig sein will, muss leiden

Die Eigenverantwortung des Volkes, mündig zu sein, sich nicht zu Opfern des (zudem ziemlich bescheuerten) Rechtspopulismus machen zu lassen, spricht Patzelt ab. Er erkennt auch nicht die Teile-und-herrsche-Strategie, die hinter diesem steckt.
Aber was Rechtspopulismus sei, liege ohnedies im Auge des Betrachters, meint der Herr Professor und verschweigt jene Elemente der „Patriidiotisch Erregten gegen die Informativität der Abendnachrichten“ die diesen definieren.
Sicher: Man kann eine Minderheit mit historisch jüngeren Wurzeln in einem Land auch "friedlich" zum Feindbild machen. Dann ist es eben friedlicher Rechtspopulismus. Das schenke ich ihm zu Weihnachten! Ich missverstehe ihn ohnehin gewiss nur falsch. Das Ganze dürfte schließlich nicht wahr sein!

Das christliche Abendland ist keine Demokratie

Man kann auch annehmen, dass die meisten dieser Abenländler_innen in erster Linie Mittelalter-Rollenspielfans sind, die nur Kreuzzug und Feudalstaat spielen. Damit ließe sich auch verschleiern, dass die geforderte Rettung des christlichen Abendlandes ein eigentlicher Aufruf zu Christianisierung ist. Das lässt dann ignorieren, dass Pegida daher eine Bewegung religiöser Extremist_innen ist, die gegen die Verfassung ihres eigenen, demokratischen Staates hetzen.
Handtücher nicht vergessen!

Dennoch gibt es noch keinen Grund für Panik. Den gibt es nie. Wachsam sollten wir jedenfalls bleiben. Und vielleicht sollten sich die antifaschistischen Bewegungen aus dem Straßenstaub und von den Student_innenstammtischen erheben, vom Dosenbier und den grauen Theorien entfernen und eine auch medial schlagkräftige Gruppe zu bilden beginnen. Gleiches gilt für die Verfechter der modernen Demokratie in Europa.



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