Freitag, 8. August 2014

Jesus im Nahost-Konflikt

Beinahe eine Prophezeiung (unvollständiger Wahrheitsanspruch)

Ich schreibe freilich nicht vom "Jesus" der Kreuzritter. Die waren noch nicht einmal „Taufscheinchristen“. Auch nicht von jenem "Jesus" der Scheinheiligen, die Juden und Jüdinnen damit bedrohten, sie an die Nazis auszuliefern, wenn sie sich nicht zwangstaufen ließen. Genauso wenig vom "Jesus" der Faschist_innen im Kirchenchor, die gegen Homosexuelle und Feministinnen hetzen.  Ich will hier von Jesus Christus dem Philosophen schreiben, von seinen Lehren als Philosophie.

Ein gewisser Nahost-Kontext

Vor ca. 2000 Jahren sah Judäa ungefähr so aus wie heute. Freilich, es gab weniger modernes Zeug. Luft und Wasser waren um einiges sauberer. Die Dichte der Raketen und Kampfjets pro Kubikmeter war etwas geringer.
Aber es war damals schon heiß, sandig und abgesehen vom häufigen Blutvergießen ziemlich trocken. Und aus irgendeinem Grund trotzdem ziemlich begehrt.
Die damalige „Besatzungsmacht“ bzw. „Legitime Staatsgewalt“ hieß Rom, die damaligen „Terroristen“ bzw. „Legitime Rebellen“ hießen Juden. Christentum und Islam schwammen noch in Abrahams Wurstkessel. Minderheiten und damit an allem Schuld, das zufällig nicht Römer bzw. Juden verantworteten, waren Osiriskultist_innen, Zorastrier_innen und Hellenist_innen.

Vor allem letztere hatten keinen guten Ruf. Erst knappe 200 Jahre zuvor waren die hellenistischen „Fremdherrscher“ bzw. „Nachfolger Alexander des Großen“ mitsamt den hellenistischen Juden und Jüdinnen von Judas dem Makkabäer und seinen „Helden“ bzw. „Fanatikern“ aus Jerusalem vertrieben worden. Daraufhin musste erst einmal alles Griechische ausgemistet werden. Sogar der Tempel wurde tiefengereinigt und neu eingeweiht (siehe Chanukka).

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Und dann kam, etwa 30 nach Christus, ein junger Nazarener namens Jesus nach Jerusalem. Dort rieb er den erzkonservativen Hohepriestern Ideen unter die hohen Nasen, die teilweise an die Lehren eines gewissen Atheners namens Sokrates erinnerten. Dieser Hellene starb cirka 4 Jahrhunderte zuvor für seine Überzeugungen. Und auf dessen Biografen und Schüler gingen die (Neo)Platonischen Akademien zurück, die zu jener antiken Zeit auch das ganze Imperium Romanum mitsamt seinen Stoiker_innen prägte.

Die Philosophie dieses Jesus war quasi „imperialistisch“ bzw. im Vergleich zu den uralten Gesetzen des Judentums „neumodisch“. Zudem ähnelte eine Kernaussage Jesu zu sehr der höchsten sokratisch-platonischen Moral: Es wäre besser Leid zugefügt zu bekommen, als selbst Leid zu zufügen – und zwar für das Seelenheil und die Karrierechancen im Jenseits.
In einer damals schon konfliktreichen, militarisierten Region war diese Einstellung nicht gerade mainstream. Außerdem waren sämtliche Zeloten beleidigt, die vor hatten, für ihr Volk Gottes ein Selbstmordkommando zu übernehmen (und das, obwohl damals noch gar keine Jungfrauen auf sie warteten).

Hippie, Kommunist, Schmarotzer

Jesus war für die Nächstenliebe, anstelle von Gewalt. Selbst nachdem sie seinen Cousin enthaupteten. Ein realitätsferner Pazifist!
Er schmälerte die Bedeutung des materiellen Besitzes. Predigte, das alle miteinander teilen sollten, damit alle mehr hätten. Und dann randalierte er auch gegen die Händler im Tempel. Anarchist! Sozialist! Linke Zecke!
Er hing, anstatt sich zu bereichern oder Krieg zu führen, lieber mit seinen langhaarigen Freunden ab, um über Gott und die Welt zu philosophieren. Blumen waren damals und dort Mangelware. Daher nannte man sie, glaube ich, „Palmzweigkinder“.
Außerdem ließ er sich ständig von irgendwelchen Mittelständlern einladen und aushalten. Er lud sich sogar zu einem „Kollaborateur“ bzw. „Zollbeamten“ ein. So ein Schmarotzer! So ein Verräter!

Was aber für das Volk des heiligen Landes besonders problematisch war: Er behauptete, sein Königreich sei nicht von dieser Welt. Aber er war doch selbst Teil Israels, ein Untertan des Herodes Antipas.
Wenn sich das eigene spirituelle Reich jenseits der irdischen Politik befindet, hat das einen Vorteil: Man geht irdischen Herrschern damit nicht auf die Kronjuwelen, man ist außer Konkurrenz.
Allerdings ist es ein Nachteil für jene, die Religion als Werkzeug der Politik verstehen. Denn wenn man die Heiligkeit nicht an einem bestimmten, irdischen Ort festmachen kann, kann man auch keinen Besitzanspruch aufgrund der eigenen Religionszugörigkeit auf einen solchen Ort erheben. So wie dies mittlerweile die Angehörigen mehrerer Religionen ausgerechnet auf der trockenen Erde Israels tun.

Kurz: Er wurde beseitigt...

Es wundert also nicht, dass Jesus bald gekreuzigt wurde (auch wenn muslimische Quellen meinen, dass es dafür keine Beweise gebe). Wer dafür erstverantwortlich war? Vielleicht sein Haberer Judas, der zufällig den Namen jenes eifrigen, antihellenistischen Makkabäers trägt? Vielleicht ein zorniger Mob, angestachelt von korrupten Religionslehrern? Vielleicht Herodes, der opportunistische Vasalle der damaligen Supermacht? Vielleicht dessen Pontius Pilatus, imperialistischer Stadthalter und Erfinder der „Pilatus-Methode“, die auch heute noch bei politischen Entscheidungsträger_innen sehr beliebt ist (nicht zu verwechseln mit der Pilates-Methode)?

...Und ist doch nicht ganz weg

Wer auch immer... Diese Form der Konflikt- und Problemlösung war damals und dort so im Trend wie dieser Tage ein Sprengkopf am Schädel. Jesus starb. Danach verteilten sich zuerst seine Anhänger_innen in alle Richtungen, dann musste beinahe das gesamte jüdische Volk auswandern. Der heilige Tempel, den Jesus vor der unreinen Geld- und Machtgier beschützen wollte, brannte nieder im Streit der „nationalistischen Eiferer“ bzw. „Freiheitskämfper“ gegen das Imperium.

Einige Christ_innen glauben und warten auf die Rückkehr Jesu. Vielleicht ist er längst wieder hier? Vielleicht kommt er bald? Wiedergeboren als friedensliebender, menschlicher Palästinenser oder Israeli, der nicht versteht, warum ihn niemand verstehen kann. Vielleicht kommt er auch als Frau wieder.
Mein Tipp: Ihr solltet ihn nicht umbringen, sondern auf ihn hören. Ihr werdet sehen, das wirkt Wunder.

 

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