Donnerstag, 24. April 2014

Nicht ganz pc: Trottelismus im Zeitalter des Webgewirrs

Immer wieder quillt sie aus den Ritzen der Kommunikationsnetzwerke der modernen Medien: Das Kommentarleisten-Hick-Hack über „Rassismus“ und darüber, was gesagt werden dürfe, was nicht, sowie wie, wann und warum überhaupt... oder so... meist eine depperte Debatte. Dies ist ein Ordnungsversuch im Chaos des zeitgenössischen Sprachgewirrs. 

Selbst „Der Falter“ widmet in seiner neuesten Ausgabe nicht nur die Titelseite einer „Rassismus-Debatte“. Sie wird vor allem im Internet wahrgenommen. Dürfte ihren erneuten Österreich-Auslöser im Schwachsinn Andreas Mölzers und manch seiner FPÖ-Kolleg_innen gefunden haben. Müsste daher eigentlich „Neger-Debatte“ heißen, was man, wie ich gelegentlich vernehme, aber wegen dem ersten Bestandteil nicht schreiben könne.

Man kann es. Man solle es nicht. Wozu auch? Eben weil dieses Wort verwendet wird? Ob man es dürfe, hängt allerdings vom Verwendungs-Zusammenhang ab. Das wird von nur scheinbaren Vertreter_innen der Politischen Korrektheit gelegentlich vergessen.

Schwerer Fall von Trottelismus...

Wer (öffentlich) behauptet, dass die bloße Darstellung eines diskriminierenden Schimpfwortes, gewisse Vorurteile oder eine untherapierte Xenophie jemanden automatisch zu einem „Rassisten*“ macht, ist ein/e Trottel. Und ich gebe zu, ein Trottelist zu sein.
Das bedeutet erstens: Ich gehe von der Existenz vertrottelter Menschen aus.
Zweitens: Ich bin überzeugt, dass Trottel eine negative Auswirkung auf die Gesellschaft haben. Wer nicht weiß, was und warum er/sie kritisiert, bleibt unmündig. Und es ist die freiwillige Unmündigkeit, die der demokratischen Zivilgesellschaft dieser Tage am heftigsten zusetzt.

...Und Rassismus

Im Vergleich zur/zum Trottelist_in glaubt ein/e Rassist_in an etwas, das es nicht gibt. Es gibt keine menschlichen „Rassen“. Die menschliche Spezies ist im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig.
Aber gerade deshalb ist ein beleidigender Begriff wie „Neger“ in der Beschreibung eines Mitmenschen „rassistisch“ bzw. (öffentlich) diskriminierend (was nicht nur in Österreich einen Straftatbestand erfüllen sollte); denn es gibt keine anderen Verwendungszweck für diesen (oder einen vergleichbaren) Begriff. Für die Beschreibung von Personen(eigenschaften) ist er unbrauchbar.

Darstellen, nicht anwenden

Darum darf man „Neger“ als Wort darstellen, man soll es nur nicht seinem Zweck gemäß anwenden. „Trottel“ hingegen ist geeignet und erlaubt: Gerade der rassistische Aberglaube bewahrheitet die Lehre des Trottelismus.

Zugegeben – Kein Grund für Steine

Genauso unbrauchbar wie die Rassenlehre vom Menschen ist übrigens jene „Farbenlehre“ vom Menschen. „Schwarz“ ist kein einziger Mensch auf diesem Planeten. Als Ausgebildeter in Grafik und Design kann ich das versichern.
„Weiß“ bin ich ganz gewiss nicht und die Zuschreibung „gelb“ hat sich zum Glück in den letzten Jahrzehnten – zufälligerweise mit dem Aufstreben asiatischer Wirtschaftsmächte – verdünnisiert.
Zwar spreche ich auch noch gelegentlich das Schwarz-Weiß-Sicht aus, aber nur aus gelegentlicher Eile und/oder Mangel an Alternativen.

Dass solche disqualifizierten Beschreibungskonzepte immer wieder entstehen, liegt am menschlichen Hang zur Schubladisierung. Der Mensch braucht Vorurteile, um sich in der Welt orientieren zu können. Das ist nichts Böses, solange Vorurteil nicht mit Wissen verwechselt wird und/oder zum Urteil wird.

Gutmenschentum? Warum nicht!?

Ich halte mich selbst – trotz meines diskriminierenden Trottelismus – für politisch korrekt. Wie anders?
Genauer: Ich halte mich für einen „Gutmenschen“ (= ein Mensch der gut sein will). Aus diesem Grund schreibe ich beispieisweise möglichst genderneutral von „Rassist_innen“ (auch wenn Rassimus in anderen Medien allein der Männlichkeit zugeschrieben wird, was äußerst sexistisch ist, *weshalb ich es zuvor zu Anschauungszwecken ebenso darstellte).
Die „Genderneutralisierung“, besser gesagt Genderharmonisierung hat den konkreten Zweck, die Benachteiligung von Frauen wenigstens in der Sprache zu beseitigen. Ich bemühe mich also um politische Korrektur.

Ismus ist nicht gleich Ismus

Warum? Ich gehöre einem bestimmten Zweig des "Sexismus" an. Bin davon überzeugt, dass es unterschiedliche Geschlechter gibt (was nun einmal bedeutet, dass sie sich unterscheiden); aber auch, dass sie dennoch gleichwertig und gleich zu berechtigen sind. Ich handle entsprechend.
Politisch Korrigierende_r zu sein ist also wichtiger, als politisch Korrekte_r zu sein. Ersteres ist ein Prozess, Zweiteres nur eine Einstellung, die ohne Prozess bedeutungslos bleibt.

Zum Beispiel


Und by the way: Die Körperbedeckung für Muslimas – vom Hidschab bis zur Burka – ist sexistisch: Die Bestimmung, wer es tragen solle, orientiert sich nach geschlechtlichen Merkmalen. Das heißt aber nicht, dass es automatisch diskriminierend sei. Allerdings ist unsere Alltagssprache zu geschädigt, um dies zu unterscheiden.

Ich hätte hierfür auch „behindert“ schreiben können. Dadurch hätten sich allerdings Menschen mit Behinderung vielleicht angegriffen gefühlt. Denn als „behindert“ werden in der Regel Personen beschrieben, die dadurch die gemeinte Unzulänglichkeit der Alltagssprache auf sich bezogen hätten; und Behinderung mit Unzulänglichkeit gleichgesetzt worden wäre, was Personen mit Behinderung im Allegmeinen herabgesetzt hätte.

Ich verzichtete also. Es gibt ja andere, bessere Wörter.

Trottel korrigieren nichts

Einfach nur ein/e Trottel – oder ein „Troll“ – zu sein, korrigiert politisch überhaupt nichts: Egal, ob man glaubt, dass „Neger“ eine legitime Personenbeschreibung ist; oder ob man sich einbildet, dass jedes Theaterstück mit schwarzer Schminke oder die reine Darstellung von Wörtern wie „Neger“, „Tschusch“ oder „Piefke“, selbst im anti-diskriminierenden Zusammenhang, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit wäre.
Solcherart vermeinende politisch Pseudokorrekten dürfte ebenso verfeindet mit Geschichtsbüchern (oder anderen Wissenschaftsbereichen) sein, wie Rassist_innen und andere Abergläubische es gewiss sind.

Mehr zur politischen Pseudokorrektur, vor allem von „Links“ gegen „Rechts“ (ein weiteres disqualifiziertes Schubladensystem) in Teil 2.



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