Montag, 31. März 2014

Umfragetiefen der Demokratie: Träge und Trottel vereinigt euch!

Umfragen können Seltsames zu Tage fördern. Beispielsweise, dass die Mehrheit der Deutschen Angela Merkel nicht mit der Regierung in Verbindung bringt, deren Kanzlerin sie ist. Regierung schlecht, „Mutti“ gut!

Aber bevor sich so manche Österreicher_innen, in ihrer Marmeladinger-Psychose, über die Numerus-Clausus-Flüchtlinge lustig machen: Es gibt auch Umfragen in Österreich, z.B. jene vom Linzer Market Institut (siehe DerStandard).
Dabei ist weniger erstaunlich, dass Katholik_innen der Kirche oder SPÖ-Wähler_innen der Gewerkschaft mehr vertrauen; auch nicht, dass es generell an Vertrauen in die Regierung und diverse Institutionen bishin zur EU mangelt. Aber, dass „Nur jeder Dritte weiß, wofür Partei steht, die er wählt“, wie in der Printausgabe getitelt wird (und dass offenbar nur Männer gefragt wurden)...?

Nicht ganz erstaunlich

...Es ist jedenfalls bemerkenswert. Erstaunt sollte ich nicht sein. Zum Einen repäsentieren auch gute, einzelne Erhebungen nie die reine Wahrheit. Zum Anderen bestätigt gerade diese meine Vorurteile.
Die Gesellschaften der Demokratien werden politisch träger und insgesamt verblödeter und... Mein übliches Gejammer.
In den Nachrichten klassischer Medien werden mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben; und gibt es doch Antworten, werfen diese nur noch mehr unbeantwortete Fragen auf.

Um heutzutage investigativen Journalismus zu machen, muss man Kompliz_in sein und bereit, nach Russland zu fliehen oder im Schutze einer Londoner Botschaft einzusiedeln. Wer auf legale Weise Aufdeckung betreibt, wird vom Großteil der Leserschaft offenbar als zu radikal gemieden (während die größten Idioten best-sellen - siehe Sarrazin. Ich meine: Wenn einer buchtitelt, "Wie man aus Blei Gold macht!", würde es auch niemand kaufen. In manchen Bereichen scheint das Volk - diverser Einkommensschichten - allerdings noch auf einer Scheibe zu leben).

Interessante Schlagzeilen über Machenschaften von Groß-Banken, juristische Krebsgeschwüre im System oder wenn die EU ausnahmsweise einmal etwas richtig macht gehen unter. Sie verschwinden in einem Ozean aus Diät-Tipps und pseudowissenschaftlichen Esoterik-Problemlösungen (für eh alles), Eisbärenbabys und geschlachteten Zootieren, dem finanziellen Versagen einer "Burg" und der ewigen Diskussion, warum in Österreich alle Maturant_innen (nicht) die selbe Matura machen sollten.

Zweifel ohne Wissen führt zur Verzweiflung

Der Großteil der Österreicher_innen misstraut also jenen Regierenden, die er trotzdem wählt, ohne zu wissen warum. Nach einer „Sonntagsumfrage“, ebenfalls vom Linzer Market Institut, verändert sich im alternativen Bereich der heimischen Politik-Landschaft wenig. Die Grünen finden zu einem alten Stand zurück. Die Neos kommen auf das selbe Ergebnis. Die FPÖ überholt zwar die Regierungsparteien – eh klar – stellt aber keine wirkliche Alternative dar.

Blick in die Türkei: Dieser Erdogan kann auch machen was er will. Er geht gewaltsam gegen Demonstrant_innen vor. Er bringt jene freien Medien zum Schweigen, die seinen Machtmissbrauch veröffentlichen. In der guten alten, kemalistischen Zeit machte man das nur mit Journalist_innen. Er siegt bei den Wahlen.
Und es wuchert der Eindruck: In ganz Eurasien gewinnt man nur noch als Arschloch Sympathien. Vielleicht kann sich der Großteil der Eurasier_innen mit einem solchen identifizieren? Oder ist gibt andere, komplexere Gründe.

Rucola: Das Feindbild das (die Angefeindeten) vereint

Für jemanden, der in einem modern-urbanen, kosmopolitischen, inter-vernetzten, fortschrittlichen Umfeld lebt, wie gewisse Wiener_innen, Berliner_innen oder Istanbuler_innen, mögen die negativen Entwicklungen, der eindeutige Rechtsruck und die Unkenntnis der Bevölkerung rätselhaft erscheinen. Man könnte befürchten, die frei denkenden Individualist_innen würden alsbald von einer Masse der angepassten Dummen überrollt.
Auch die so genannte „Kleinkunst“ oder die „intellektuelleren“ Medien machen sich über Rucola in Verbindung mit „Bobo-Hipster“ (unter denen es natürlich auch Deppen gibt) lustig (als wäre der Salat etwas ganz Neumodernes, über das man kabarettistisch aufklären müsste). Andererseits greift man auch immer wieder einen gewissen Prolo-Slang auf und an (Dessen Sprecher_innen manchmal auch gerne Grünzeug essen).

Bobos und Prolos aller Länder...

Das spalten und vereint zugleich. Darum sage ich: Wir dürfen uns nicht fürchten. Die aufgeklärte Minderheit muss die Flucht nach vorne ergreifen und beginnen, sich mit der unaufgeklärten Mehrheit zu solidarisieren.
Es wird an der Zeit, wieder gute, alte Philosophie für jedermann_frau zu betreiben; die Gedanken nicht für sich zu behalten, sondern sie hinaus zu tragen – über die inneren Randbezirke hinaus bis in die Vorstädte. Vereinigt euch ihr Trägen und Trottel und überwindet gemeinsam das Tal der Ignoranz! Ansonsten wird das nix mehr mit uns.

Ergänzung: Ich muss jedoch anerkennen: Die FPÖ kritisiert massiv die Geschäftspraktiken der Raiffeisen (mit Vorsicht zu genießen, wenn ein Narr über den anderen spottet). Vielleicht ist das der Grund für ihr Umfrage-Plus? Das wäre wenigstens einmal causal.
Andererseits steigen die Umfrageergebnisse der Grünen nicht nach ihrer österreichweit verfolgten Verkehrsberuhigung in Wien. Aber vielleicht ist die Nachricht, das grüne Österreich sei Vize-Europameister beim Luftverschmutzen, auch noch zu jung? 

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