Dienstag, 10. Dezember 2013

Weihnachtsgeschichte: Überreligiöse Hoheit der Menschlichkeit

The same old story?

Die Weihnachtsgeschichte erzählt – die Details sind bekannt – von einem Kind, das in einem Stall zu Bethlehem geboren wird. Josef und Maria waren auf Reisen. Es hätte daher auch an einem anderen Ort geschehen können. Ein Komet (Weihnachtsstern) ist als Navi recht ungeeignet, als Lichteffekt jedoch gewiss wundervoll. Und ob das Paar aus Platz- oder Geldmangel keine Herberge fand, sei dahingestellt. Ich schreibe hier weder eine Religions- noch Sozialkritik.

Zuerst wird den einfachen Hirten auf dem Felde von den Engeln verkündet, dass der Erlöser geboren wurde. Aber auch die drei weisen Könige (in welchem „Morgenland“ auch immer) erfahren rechtzeitig von dem besonderen Ereignis. Hirten und Fürsten, Ehrfürchtige und Weise versammeln sich gemeinsam vor der Futterkrippe, in der sie den Säugling schauen, und neigen Häupter und Knie in tiefer Verehrung.

Der Tyrann Herodes (der Ältere, „der Große“) aber, der das Kommen des „Messias“ bereits fürchtete und darum die schrecklichsten Gräueltaten begangen hatte, konnte es nicht verhindern. Ihm wurde prophezeit, dieses Kind würde neuer König werden und seine Herrschaft beenden.

Worum es geht?

Um Symbole geht's. Herodes spielt die Rolle des bösen, tugendlosen Herrschers, der im Hintergrund droht. Ohne Weisheit lässt er sich von seiner Angst lenken und muss darin scheitern. Trotz seines grausamen Widerstands, bringt die gute, tugendhafte Maria (für viele Christ_innen gleichsam eine himmlische Königin) Jesus zur Welt.

Jesus repräsentiert die Göttlichkeit auf Erden. Christlich gesagt soll er die Menschheit von der „Erbsünde“ erlösen und sie ins ewige Leben (nach dem Tode) führen. In freieren Interpretationen lässt sich Jesus als Personifizierung der Liebe (Gottes gegenüber den Menschen) deuten. In meiner Freiheit füge ich dem hinzu, dass (der erwachsene) Jesus auch für die (göttliche) Weisheit stehen darf.

Außer dem Tyrannen verneigen sich also alle Redlichen, von nah und fern, von unten und oben, vor jenem Säugling. Sie beschenken ihn freiwillig, mit dem was sie haben. Allein darin triumphiert das machtlose Kind (das völlig von anderen abhängig ist) über den mächtigen Gewaltherrscher (der ebenso völlig von anderen abhängig ist, aber neben sich keine Gleichgestellten duldet). Die Zuneigung und Liebe zu dem Kind ist also mächtiger, als die Unterwerfung gegenüber der Macht des Tyrannen. Jesus siegt in und mit Liebe. Der lieblose Mächtige wird entmachtet.

Darf's noch mehr sein?

Ein neugeborenes Kind ist der nackte, reine Mensch an seinem Ursprung. Egal in welchem Land, in welcher Kultur, mit welcher Hautfarbe oder welchem Geschlecht es geboren wird, es zeigt das gleiche Verhalten, hat die gleichen Bedürfnisse, überall, weltweit, damals wie heute. Auch die Liebe zu ihren Kindern ist allen Völkern gemein; und über alle Grenzen und Unterschiede hinweg herrscht dafür ein gegenseitiges Verständnis.

Ein Säugling, also auch das „Christkind“ Jesus, symbolisiert daher nicht nur die Unschuld (im Gegensatz zur von Jesus aufgelösten Idee der „Erbsünde“), sondern auch die Gleichheit aller Menschen (die Jesus uns lehrt gesamt zu lieben). Jesus liegt zudem in einem Stall, einer Behausung für Tiere, was die Deutung offen lässt, aus welcher sozialen Klasse „Haus“ er stamme. Er könnte überall zuhause sein.

Und so huldigt also alles redliche Volk, auf Geheiß göttlicher Boten, der wahren Menschlichkeit in der Verkörperung eines ohnmächtigen Babys; sie huldigen der Liebe zum Menschen, zur Menschlichkeit und (ver)ehren damit zugleich die Menschenliebe, die sie in sich tragen.

Die Gegensätze (platonisch, taoistisch?)

Als Gegenspieler zum Gewaltpolitiker Herodes verkehrt das Jesuskind die gesamte Systematik der Tyrannei. Das Neugeborene strebt nicht nach einem Sieg, es triumphiert in seiner Bescheidenheit (ein taoistisches Prinzip?); nicht weil man ihm gehorcht, sondern weil es geliebt wird.

Jesus wird zum „König aller Könige“, weil er das Gegenteil eines Königs darstellt. Darum wird er später auch sagen, sein Reich wäre nicht von dieser Welt. Der irdische Herrscher bedarf vieler Gehilfen und Kräfte, um sich letztlich dennoch nicht auf dem Thron halten zu können.

Jesus hingegen versammelt ohne Zwang die Völker um sich. Er befiehlt ihnen nicht, er erleuchtet sie; er verbraucht nicht die ihnen eigene Kraft und Würde (für sich selbst), er lässt sie (für sich selbst) ihre eigene Kraft und Würde erkennen. Der irdische König adelt sich selbst, das Jesuskind – in der Symbolkraft der Weihnachtsgeschichte – adelt die Menschheit; es adelt die Menschen in ihrer Liebe, in der sie endlich, in Frieden, zu einander finden, zur Gemeinschaft werden, um die Geburt eines der ihren zu feiern.

Das Christkind als Herr? 

Der "Gottesohn" daher nicht „unser Herr“ als Ersatzherrscher des irdischen Tyrannen; als „Herr“ will er die Menschenliebe, als die er in uns regieren will. Diese Menschenliebe ist der Urgrund jeder humanistischen Idee, Philosophie und Errungenschaft (Über meine halb-gare These des Jesus Christus als Philosophen des hellenistischen Judentums – und daher natürlichen Feind der zu seiner Zeit machthabenden Pharisäer – schreibe ich ein anderes Mal).

Auch wenn man kein_e gläubige_r Christ_in ist, Religion im Allgemeinen ablehnt und auch noch keinen Schluck Glühwein vom Adventmarkt intus hat: Die Weihnachtsgeschichte geht in ihrer Bedeutung über die Religion und Konsumritual hinaus. Sie ist, wie es vielleicht den alten Schülern Jesu bedeutsam war, eine Sage voll überkonventioneller, unihumaner Sinnbildlichkeit und Weisheit. Also: Genießt den Advent und kauft nicht zu viel Klumpert!

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