Dienstag, 15. Oktober 2013

98 Prozent Hochbegabte - keine Gratiszeitung für Vorschulkinder

Ich habe den Dokumentarfilm „Alphabet“ von Erwin Wagenhofer noch nich gesehen, dessen Plakat allerings. Muss bereits kritisieren: Wären 98% aller Menschen bei ihrer Geburt hochbegabt, wären sie nicht hochbegabt – es sei denn, man kehrte die Bedeutung des Begriffes der Hochbegabtheit in dessen Gegenteil um. Eine solche Absurdität wäre dieser Tage durchaus vorstellbar (siehe: Feminismus, Pazifismus, Bürgerlichkeit, Humanismus, Moral, Finanzmärkte, usw.).

Keine Zeit zum Genießen


Allerdings lässt sich erfahrungsgemäß feststellen: Vor Schuleintritt sind Kinder mit einer natürlichen Wissensbegierde ausgestattet, die bereits früh während der Schulzeit rapide abnimmt. Jedenfalls musste ich mir das genussvolle Denken und Lernen nach spätem Ende meiner Laufbahn wieder selbstständig aneignen (Platon sei Dank!).

Vor dem Vorbeispazieren am besagten Filmplakat, teilte ich mir den Wagen mit einem Haufen Schulkinder: Alle aufgeweckt, gut drauf. Soweit keine Sorge. Sie lasen auch schon fleißig, allerdings in den Gratiszeitungen.

Sorgen um Maddie

Muss ich mir darüber Sorgen machen? Die einen werden vielleicht umso früher erkennen, wieviel Blödsinn in diesen Blättern steht. Die anderen werden sich aber möglicherweise zu früh und geistig an die Auswürfe einer Medienkultur anpassen, die nur in seiner Produktionsmenge das neue „Informationszeitalter“ repräsentiert. Wie auch immer: Es wäre wünschenswert, gäbe es eine Gratiszeitung, die sich auf wesentliche und tatsächliche Informationen – im Sinne von Wissen und Aufklärung – beschränken würde.

Zwei neue Phantombilder regen derweil zu erneuten Fragen an. Ob dieser Mann Maddie entführt hätte, der an manchen Stellen – vielleicht unbewusst – bereits von Zeitungsmacher_innen schuldig gesprochen wurde? Das führt nur zu weiteren Fragen: Wer ist dieser Mann? Wo ist er? Gibt es ihn überhaupt wirklich? Da zwischentitelt eine, die Mutter hätte den Entführer um eine Minute verpasst. Nicht einmal die Betroffenen scheinen so viel über diesen Fall zu wissen, wie eine dieser Gratiszeitungen. Vielleicht sollte man die Ermittlungen in deren Büros fortsetzen.

Wundern ist wichtig

Der Erfolg dieser Medienkultur wundert mich jedenfalls nicht. In der Schule hört Lernen und Wissen auf, Spaß zu machen. Von da an, bis ins Erwachsenenalter, bis in die akademischen Karrieren hinein, wird uns Wissen als Werzeug präsentiert, dessen Umgang wir erlernen müssten, um in dieser harten Welt zu überleben, ergo um Geld zu verdienen, um das allein es im Leben ginge – sagt man es auch nicht direkt, so dennoch durch den Mangel an alternativen Philosophien.

Wer will sich in seiner Freizeit, auf dem Weg in die Arbeit noch mit wesentlichem Wissen und Denken belasten, das nicht unmittelbar seinem Gelderwerb dient? Wer will nur einen kleinen Teil dieses Geldes ausgeben, um sich qualitativ hochwertige Hirnnahrung zu kaufen – zumal für die Freizeit, fürs Vergnügen? Eine Minderheit vermutlich. Und so bleibt der Mehrheit das Trauma der Schulzeit und das Junkbrainfood der Gratiszeitungen.

Kein Raum für Fehler = Fehler überall

Aber auch manchen gebildeten Menschen widerfährt ein gelegentlicher Ausrutscher ins Pseudointellektuelle. Das ist menschlich. Ein Lernen aus diesen Fehlern sollte als Bereicherung wahrgenommen werden. Was schwer fällt in einer Kultur, in der Wissen außerdem als Waffe betrachtet wird, die man gegen andere einsetzt, um sich in dieser Menschenwelt zu behaupten.

Wir leben in einer Wissenswüste, also einer Wüste voller Wissen, das uns umgibt. Wir haben es meist so eilig die Unwirtlichkeit dieser Wüste zu durchkämpfen, dass wir ihre Schätze nicht zu nützen wissen. 

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