Mittwoch, 7. August 2013

Demo gegen Deportationen in Wien



Demo gegen jüngste Deportationen pakistanischer Aktivisten

In Wien. 6. 8. 2013. Ich kam doch nicht zu spät zur Versammlung der Demonstrant_innen an der Rosauerlände, die der Einladung des „Refugee Camp Vienna“ folgten. Die im Vergleich zum Polizeiaufgebot kleine Menschenansammlung wurde bald und im Laufe des Umzugs, über die Votivkirche, dem Wiener Landesgericht bis zum Servitenkloster, immer größer. Und das trotz Hitze und erhöhter Ozon-Belastung in der Stadt.

Piraten Ahoy! Die gleichnamige Partei war vertreten.
Andreas Czak (re. und rot) vom Wiener Landesvorstand
brachte später gute Argumente weshalb


Ich leide besonders unter dem Reizgas. Vielleicht trocknete deshalb meine Stimme recht bald aus. Begann mich gewisser Gesangstechniken zu erinnern (mehr "durch den Bauch" atmen, weniger "Kopfstimme" benützen), um dennoch mitrufen zu können: "Refugees are welcome here!"

Unter anderem dieser Slogan war keine Übertreibung. Ich heiße sie jedenfalls willkommen, die Verfassung nicht weniger und die Vernunft ohnedies. Darüber sollte weder streiten, noch dafür demonstrieren müssen. Man muss es aber doch.

Tiere und Kinder stehlen dir immer die Show
Den fürwahr als besten wahrgenommenen Spruch hatte das Kind eines Mitdemonstranten präsentiert: "Abschiebungen sind für den Popo! (kam mir bekannt oder inszeniert vor... legal... egal)"
Die genannten und abgebildeten Behauptungen in Sloganform, will ich in Kürze verteidigen. Davor nur noch eines...

Die zwiespältige Rolle der Polizei

Die Polizei verhielt sich, wie es in einer rechtsstaatlichen Zivilgesellschaft sein sollte: Sie regelte den Straßenverkehr. Allerdings wurde von einem der Veranstalter darauf hingewiesen, dass sie vor Demo-Beginn, Protestteilnehmer ohne Dokumente weggeschafft hätte. Ich konnte (noch) nicht mehr dazu erfahren.

Ansonsten nicht viel zu tun
Demobegründung – Es gilt die Amtsmissbrauchsvermutung

Jeden Dienstag wolle man sich von nun an treffen, um erneut den Protestzug, möglicherweise auch einen längeren, zu veranstalten, in der Hoffnung, es würden immer mehr Menschen daran teilnehmen. Und warum sollten die Staatsbürger_innen dies tun (abgesehen vom Lohndumping-Effekt einer asozialen Politik, auf den von einer Sprecherin hingewiesen wurde)?

Was nicht mehr anzuzweifeln ist
Viele gute Gründe, sich gegen die „Abschiebungen“ und in Folge dessen gegen die gesamte Regierung zu empören, wurden auf der Demo selbst und im Vorfeld genannt (siehe auch Linkliste). Der Herausragenste ist ironischerweise die Rechtsstaatlichkeit, die von Mikl-Leitner & Co als Begründung für die Deportationen genannt wurde. Denn wenn ich vermuten muss, dass die Behörden meines (Rechts)Staates von Berufspolitiker_innen für Wahlkampfzwecke missbraucht wurden, so begründet dies ein berechtigtes Misstrauen gegenüber betroffene Institutionen und Rechtsstaat im Allgemeinen, das diesen irgendwann zersetzen muss – selbst wenn ich nichts weiter unternehmen würde, als zu misstrauen und immer mehr es mir gleich täten.

"Wenn Unrecht zu Recht wird,
wird Widerstand zur Pflicht!"
Einfaches Staatsprinzip

Ein Beispiel: Cicero war kein verträumter Hippie, sondern Pragmatiker und politisch bedeutsamer, als alle heutigen österreichischen Politiker_innen zusammen, immerhin Konsul des mächtigsten europäischen Reiches seiner Zeit. Später patriotischer Philosoph in der Phase des Niederganges der römischen Republik.

Dieser Cicero aber erkannte bereits vor Christus: Ein Staat muss gerecht sein (oder ist kein Staat). Ich hoffe, an dieser Stelle nicht erklären zu müssen, dass Gesetzesschreibung und Rechtssprechung nicht automatisch Gerechtigkeit sind.

Auch die Space Invaders setzten sich erneut
für die Rechte der Erdlinge ein
(Unser einstiger Konflikt scheint vergessen)

Und auch wenn Cicero sicher nicht für die Sklav_innen seines Imperiums sprach, so mit-begründete dieser Gedanke doch jenen Teil der so genannten (und namentlich oft missbrauchten) "abendländischen", politischen Philosophie, die über den Humanismus zu unserer modernen, (zweiten) österreichischen Republik führte.

Ich könnte jetzt mit Rousseau oder Kant oder Arendt weitermachen... Doch nur so viel: Wenn ich nicht darauf vertrauen kann, dass meine Freund_innen und Kolleg_innen, wo auch immer sie geboren wurden, durch die Behörden mit Würde, Respekt und Gerechtigkeit behandelt werden – wie es ihnen letztlich die Menschenrechte zusprechen – so kann ich auch nicht darauf der vertrauen, dass mir Würde, Respekt und Gerechtigkeit durch die selben Behören zukommen. Und warum sollte ich mich in solchem Falle ihrer Staatsgewalt fügen und weiters die Gesetzen befolgen?

Was Kant dazu sagt, lässt sich in seinem
"Zum ewigen Frieden" nachlesen
Blinder Gehorsam gegenüber den Gesetzen und ihren Instutionen ist Gift für die republikanische (demokratische) Verfassung. Ihre Staatsbürger_innen haben die freie Pflicht kritisch gegenüber sich selbst, also gegenüber ihrem eigenen Staat zu sein. Bei Vernachlässigung dieser Pflicht bestrafen sie sich selbst mit Diktatur. Diese Pflichtvernachlässigung ist daher eine echte Sünde (die ihrer wahren Natur nach die Sündigenden aus sich selbst heraus bestraft). Darin zeigt sich die freie Natur all dessen.

Nun werden Menschen, durch die Staatsgewalt, unter Behauptung eines unbewiesenen und unbeweisbaren und (gerichtlich) unverhandelten Verbrechens in ein Krisenland deportiert. Der Zeitpunkt spricht für einen Propagandatrick. Es gilt die Amtsmissbrauchsvermutung (danke Robert Misik) gegen Innenministerin Mikl-Leitner und Justizministerin Karl.

Rechts: So viel zum sicheren Pakistan
http://www.hrw.org/world-report/2013/country-chapters/pakistan
Desweiteren ist die Niedertracht gewisser „Zeitungen“ – der vierten Säule der Staatsmacht – und ihrer unrechtsstaatlichen Boulevard-Justiz bewiesen. Der Wiener Landtagsabgeordnete der Grünen Senol Akkilic kündigte Klagen an.

Lgb. Senol Akkilic (Grüne) zeigt sich,
neben Vertreter_innen anderer Gruppen,
kämpferisch
Wenn also die Regierenden die Institutionen meines Staates missbrauchen, um Menschen, ihren Rechten zuwider, zu Propagandazwecken ihrer Parteien und mittels rassistischer und politischer Selektion in eine mögleicherweise lebensgefährliche Situation befördern, so ist das Misstrauen gegen diese Regierenden berechtigt. Und damit ist die Bedeutung dieser Demonstration (mehrfach) begründet.

Randnotizen

Unterstützer_innen der Demonstration und Redner_innen am offenen Mikrofon kamen unter anderem auch von der: Gewerkschaft der Privatangestellten, Achse kritischer schüler_innen (aks) Wien, Gewerkschaftliche LinksBlock (GLB), Kid Pex (der zum Schluss einen kleinen Auftritt gab).

 Selma Schacht (am offenen Mikro)
u.a. von der Wiener Arbeiterkammer
Zum Schluss wurde übrigens von den betroffenen Aktivisten des Servitenklosters dort zum gemeinsamen Fastenbrechen eingeladen (ist der Ramadan immer noch nicht vorbei?). Ich konnte leider nicht mehr teilnehmen.

In den Startlöchern
Weiters sei nicht unerwähnt, dass die Mitarbeiterin des in der Nähe befindlichen Pizzaservices „Hollywood“ mir nicht nur freundlich die Wasserflasche auffülllte, sondern zudem darauf achtete, dass das Wasser möglichst kalt war

 Wir wurden mehr.
Hier: Zwischenstation vorm Wiener Landesgericht
(für Strafsachen)
Ich gönnte mir zum Abschluss und im Zuge dieses Schreibens ein fastenbrecherisches Bier in meinem Stammbeisl, denn das steht kurz vor der Sommerpause (Restlsaufen). Erfüllte also auch hier gewisse Bürger_innenpflichten.

Des Schauers liebster Arbeitsplatz


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