Dienstag, 16. Juli 2013

Über (positive) Kooperation

Ich verlasse das Café Drechsler, weil ich muss, und folge sogleich dem Pfad vor's Salzberg; denn der Mensch geht einen solchen nicht zu Unrecht zum wiederholten Male, wenn sich das letzte Mal als vorteilhaft erwies. Das „Gewohnheitstier“ in einem ist also durchaus brauchbar – ich genieße sogar das Alkoholfreie (obwohl das norddeutsche Bier nicht meins ist) erneut.

Wann wird dieses Gewohnheitstier aber zum Ungetüm? Wenn der Drang zu den vertraulichen Pfaden von jenen der Vernunft abweichen; wenn man der Gewohnheit und Vertraulichkeit zum Opfer fällt, weil sie einem vermeintliche Vorteile gegenüber dem Ungewohnten, Unvertrauten, Unbekannten vorgaukelt; was sicherlich stets mit einer – durch was auch immer verursachten – Trägheit von Körper, Geist und Seele einhergeht.

Die positive Gewohnheit ist eine als Gut erkannte und deshalb wiederholte Absicht oder Handlung. Als eine positive (und damit quasi gute) Gewohnheit hat der Mensch, genauso wie andere Lebewesen (notwenig auch jene Formen, aus denen sich all unsere Körper zusammensetzten), das Kooperieren mit anderen Individuen zum gemeinsamen Vorteil erlernt.

Diese vom Menschen vielfältig kultivierte kooperative Lebensweise setzt allerdings ihre (An-)Gewohnheit nicht nur voraus, sondern auch ein Gewohnheitsrecht danach an. Denn man kann mit niemanden eine z.B. wirtschatfliche Kooperative gründen, auf deren Fortbestehen sich das gemeisname (nicht nur unbedingt wirtschaftliche) Überleben gründet, wenn man dem/der Partner_in nicht so weit vertraut, er/sie würde diese Zusammenarbeit nicht bei nächster Gelegenheit zu seinem/ihren Eigenvorteil, trotz des daraus resultierenden Nachteils aller anderen innerhalb dieser Gemeinschaftsform, hintergehen.

In Kooperations-Gemeinschaften, deren Mitglieder auch persönliche Beziehungen miteinander verbinden, ist gerade die wirtschaftliche Zusammenarbeit meist dermaßen auf einander abgestimmt und mit einnander vernetzt, das ein Verrat (im Sinne der Maxime der Kooperation) an der selbigen automatisch auch zum Schaden des/der Verräter_in führte. Er kommt dennoch auch in diesen Gemeinschaften immer wieder vor, offenbar dann, wenn der Vorteil durch den einmaligen Verrat den Vorteil der weiteren Zusammenarbeit scheinbar übertrifft bzw. der/die Verräter_in sich all zu leicht davon überzeugen lässt.

Das es hierbei oft zu Fehleinschätzungen durch die Verräter_innen kommt, zeugt von deren Unkenntnis, nicht unbedingt von deren natürlichen Schlechtigkeit. Denn ob der Mensch von Natur aus „gut“ oder „böse“ ist, ist meines Erachtens nicht festzustellen und letztlich auch von geringfügiger Bedeutung.
Die Gemeinschaft des Staates, die im Grunde auf dem Sinn der Kooperation seiner Mitglieder begründet ist, schützt sich ohnehin durch Gesetzte weitgehend vor dem Verrat einzelner Mtiglieder gegen die anderen (wenigstens wäre dies ihr Zweck), ob nun alle aufgrund ihrer Natur stets ein solches Vergehen anstreben würden (und bloß aufgrund der Gesetze es unterließen) oder nur manche, die wegen unterschiedlicher Einflüsse auf die so genannte „schiefe Bahn“ gerieten, während der Großteil dank seines natürlichen Verstandes die Regeln der Gemeinschaft respektiert.

Es ist erstaunlich, wie stark die internationale Finanzwirtschaft, sprich ihre Elite, den Eindruck vermitteln könnte, dass all jene Recht haben, die meinen, das Mensch sei von Grund auf „eine Sau“.
Nähere Betrachtungen zeigen jedoch, dass auch die so benannte Hochfinanz, sogar die rücksichtslosesten Börsen-Speckulant_innen und deren Funktionär_innen, den Sinn (vor allem im Sinne des Zwecks) der Kooperation mit anderen durchaus begreifen und damit gar einen gewissen Grad an Treue zu den durch sie entstehenden Gemeinschaften.

Deshalb muss es Lobbyismus geben. Denn auch die kühl auf finanziellen Profit kalkulierenden Finanzzauberkünstler_innen, die ihr Geld, mit Hilfe einiger Dämonen, beinahe aus dem Nichts erschaffen, vertrauen bevorzugt auf persönliche Beziehungen. Warum auch nicht? Dies liegt auch in ihrer Natur.

Allerdings betrügen und verraten sie dabei den Rest ihrer jeweiligen Gesellschaften, von denen sie sich daher nicht ohne Grund distanzieren und sich in global vernetzte Parallelgesesllschaften zurück zu ziehen trachten; was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass sie dennoch Teil ihrer ursprünglichen Gesellschaften bleiben, diesen ihre lukrative Positionen verdanken und ihnen gegenüber auch verantwortlich bleiben.
Dass sie so leben und agieren können, als wäre dem nicht so, liegt an einer vorsetzlich mangelhaft gestalteten Gesetzgebung einzelner Staaten und Staatenbünde im Interesse dieser Akteur_innen; sie werden vor der egalitären Verantwortlichkeit innerhalb ihrer Gemeinschaften vielfach ausgenommen.

Auch hier zeigt sich nicht, ob der Mensch natürlich gut oder böse ist. Nach den Ideen Sokrates/Platons besitzt er entweder Kenntnis oder leidet unter Unkenntnis. Es ist hierbei – sowohl innerhalb bäuerlicher Kooperativen in ländlichen Regionen wie auch innerhalb global agierender Finanzwirtschaftsorganisationen – die persönliche Beziehung zwischen den Individuen, die, bis zu einem gewissen Grad, mal mehr, mal weniger, eine Erkenntnis vom Sinn des (positiven) Kooperierens erlaubt, der über dessen objektiven Zweck und den egoistischen Nutzen für den Einzelnen hinaus geht (gehen muss).

Letzterer Eigennutzen ist zwar ein guter Grund, um mit anderen eine langfristige Zusammenarbeit zu beginnen; der lernfähige Mensch aber wird sodann einsehen müssen, dass sich aus dem einen, erwarteten Vorteil eine Vielzahl an weiteren Vorteilen ableiten lässt. Woraufhin auch dem rein objektiv kalkulierenden Menschen eine Fortsetzung (also eine Treue zu) der positiven Kooperation, als Grundlage einer Gemeinschaft, als weiterhin vorteilhaft erscheinen muss. Mit etwas Glück lernt er auch jenes daraus gewonnene Gut kennen, das am allerbesten die Seele zu erfassen weiß.

In Anbetracht der internationalen Finanzwirtschaftssituation – die vor allem eine rechtliche Katastrophe ist – muss man also schließen, dass es den Akteur_innen an einer (im Grunde zutiefst menschlichen) Kenntnis fehlt, die sie ihre Verbindung und Verbindlichkeit mit dem übrigen Menschenvolke zu erkennen und verstehen erlauben würde. Dort wo aber, wie es angesichts der Unmöglichkeit persönlicher, zwischenmenschlicher Beziehungen zu erwarten ist, diese Erkenntnis fehlt, müssen entsprechende Gesetze (Verbote) dafür sorgen, dass die betroffenen Individuen vor den Folgen ihrer eigenen Unkenntnis, und damit alle übrigen, geschützt werden.

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