Dienstag, 19. Juni 2012

Gute Nacht

Gute Nacht mein Schatz, die Decke zieht sich über dein Fenster, der Gesang wellt über deinen blonden Schopf; singendes Atmen verschluckt hier alle Gespenster, schlafendes Atmen strömt durch deinen Kopf.
In deinem Zimmer steht der Mond. Heller ist es draußen dort, wohin all die Gespenster fliehen; sie sammeln sich an manch seltsamen Ort, wohin auch die menschengestaltigen Monster ziehen, um ihre Waffen zu verkaufen, wo andere Kinder im Blutmeer des Krieges ersaufen. Wo die Unglücklichsten mit Verachtung jene regieren, die immer noch nach dem Lebensglück streben; wo die Kopf- und Seelenkranken die vernunftbegabten Schönen beirren, und die Gierigen ihre Netze der Eitelkeiten weben.

In deinem Zimmer sang der Mond. In der Nachbarschaft werden Parolen gegrölt. Das sind Aufrufe die sich feige in der Vagheit verbergen; sie nähren sich von der Ungenauigkeit und deren Maschine steht gut geölt - in allen Parlamenten und Räten, zur Verfügung ihrer faulen Schergen. Parlamente und Räte hatten jenen Zweck und der wurde keck von den Verantwortlichen an die Unverantwortlichen abgegeben, die können sich in ihrer Freizeit nun darüber erregen; und die Unverantwortlichen senden zu ihren Diensten die Verantwortlichen, wo diese den Dienst an sich selbst kultivieren; als untote Diener, die beherrschen ihre sehr geehrten Damen und Herren – die verkauften Hoheitlichen, in einem Spiel um Leben und Tod, das die Lebendigen programmatisch verlieren. Es steht geschrieben auf unserer Stirn – und auch mehr, denn wer den Fluss als solchen erkennt, wird auf seiner Lebendigkeit abfahren; wer den Blick vor seiner Wildheit, vor seinem Ende in der großen Mündung bange mit den Parolen und Flaggen verhängt, wird alles verlieren, sich selbst nicht bewahren.

Gute Nacht nun. Die Zeit heilt alle Wunden, nicht ohne Tätigkeit und wo die Tätigkeiten sind verschwunden, misst man sich auch keine Zeit. Warum soll ich klagen, über die über uns hereinbrechende Menschenwelt; es nützt nichts zu verzagen, komm, ich sing dir noch ein Lied, das dir hoffentlich gefällt, das mich erinnert an die Schönheit die in allem liegt, die sich stets in unscheinbarer Sicherheit wiegt und am Ende des nächsten Endes siegt. Am Anfang liegt dann mancher Schrei, der reicht für uns alle; der Schmerz ist auch manchmal dabei, Menschen die einen lieben, hat man in solchem Notfalle.

Meine Kehle wird trocken, meine Stimme zerbricht langsam wie der losgelöste Lehm, im Strome der Musik, der dennoch nicht versiegt; ich singe weiter und atme für dich auch ohnedem. Ich hauche Lieder, die kannst du nicht mehr hören. Ich lass mich auf dem Treiben der Nachtschatten nieder, will nicht deine Träume stören. Die gestörten Träume der Menschwelt liegen vor meinen Augen, in meinen Ohren. Was kann ein verhüllter Kaiser ohne Kleider taugen, seine Berater sind stupide, seine Helfer sind Diebe, seine eigenen Märchen sind verworren.

Irgendwann will ich dir davon erzählen. Nun aber Gute Nacht! Fern von allen anderen Wahrheiten, hinter fremden Küsten. Mit vielem musst du dich noch nicht quälen. Gute Nacht! Nur ich muss wissen, dort drüben werden deine Altersgenossinnen umgebracht. Manche Erwachsenen wünschten, dass sie davon nichts wüssten. Ich aber hoffe, eines Tages wirst du dich zu quälen wissen, wie eine Mensch, lebensfähig und echt; ohne all die Schönheiten zu vermissen, durch die bleibst du stark, mutig und gerecht.

Ich denke an das viele Grauen, gegen das ich mir selbst vorsinge, weiß zum brechen genug über all diese verbrechenden Menschendinge, sehe dein schlafendes Gesicht und kann die Welt dort draußen nicht mehr verstehen, will ihr nicht mehr länger trauen. Ich weiß, sie wird vergehen. Über dir singt der Mond und draußen geht das Licht bald unter.

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