Montag, 27. Februar 2012

Verloren in eindimensionaler Zweidimensionalität: ein Kommentar zu "Topökonomen" Phelps und Ammous in der FTD

Die Wurst: Finacial Times Deutschland: Zurück zu den Ursprüngen des Kapitalismus.


Der Senf:

Ich will jetzt nicht auf die historischen Reflexionen und Interpretationen eingehen. Aber man sollte gerade in diesem Zusammenhang erkennen, dass der "Staat" vieles ist, jedenfalls aber keine homogene Gruppe aus KorporatistInnen. Der Staat ist die Summe seiner Mitglieder, wie naiv das im ersten Anlesen auch an die Grundlage demokratischer Ideologien erinnern könnte.

Weniger ist mehr - aber wovon?

Nun ließt man im verlinkten Text die alte Forderung nach einer Reduzierung staatlicher Regulierung, zugunsten eines produktiveren* Kapitalismus. Aber
Unternehmen, die von Netzwerken profitieren, die hier allein der Staatlichkeit zugeordnet werden, bestimmen im äußersten Fall (siehe Telecom-Skandal) jene Regulierungen genauso mit, wie gewisse Deregulierungen. Schlagworte wie "Korporatismus" VS (neuen, alten)"Kapitalismus" reichen nicht aus, um die schädlichen oder günstigen Prozesse von (Markt)Wirtschaft und Berufspolitik zu erklären. Es sollte grundsätzlich darum gehen, das politische und wirtschaftliche System sinnvoll/effektiv wie gerecht zu gestalten; und gerade diverse Skandale, im Schatten der Krise, zeigen, dass sich Politik und Wirtschaft nicht getrennt betrachten lassen, wenn sie-bezügliche Probleme erfassen will.


Regeln, Regulierungen (und Verhandlungen dazu) wird es genauso brauchen, wie "Staaten", als Organisationsformen unseres Zusammenlebens, auf bestimmtem Land und unter bestimmten Gesetzen und Verfassungen. Das was dieser "Korporatismus" offenbar sein soll, wie er hier gemeint ist, scheint mir auch Korruptionismus heißen zu dürfen. Hier könnte man also doch noch auf die Geschichte eingehen: Machtmissbrauch gab es immer und wird es wohl immer geben; und Anfang des 19. Jhd. herrschte auch kein ArbeiterInnenparadies.

Gebrauchte Macht

Man kann sich vielleicht drauf einigen, dass ein schädlicher Machtgebrauch, also ein Machtmissbrauch, auf allen Ebenen der Staaten, in der Berufspolitik wie in der Wirtschaft bekämpft und verhindert werden muss. Dabei findet sich vielleicht kein alter, sondern ein völlig neuer Kapitalismus. Dass der Staat dabei gewisse Unternehmen unterstützt, führt nicht gleich zur nächsten Krise. Der Staat darf dabei nur nicht hängen bleiben, z.B. in einem gewissen Interessenkreis – völlig egal, ob man einen solchen Oligarchie oder Lobby nennt.

Interessenskreise können gut sein oder schlecht, für die übergeordnete Gemeinschaft, der sie angehören. Man muss es abwägen können, dazu braucht es Kontrolle und Transparenz; dies aber nicht in Händen der Berufspolitik oder Wirtschaft oder anderer Interessenskreise, sondern in der Macht des demokratischen Volkes.

Fad(enscheinig)!

Nun allein den nicht näher definierten Begriff „Staat“, als Förderer eines Korporatismus zu nennen, den es durchaus geben kann, die AkteurInnen/ ProfiteurInnen der Wirtschaft dabei aber zugleich auszuklammern bzw. ihre Verantwortung nicht zu nennen, ist fade(nscheinig). Es sind BerufspolitikerInnen und Wirtschaftstreibende – mit dem nötigen Kapital – die durch ihre Unverantwortlichkeit diesen Kapitalismus in die Krise führten. Dies ist ein Problem der demokratischen Zivilbevölkerung. Ihre Mittel sollten eigentlich ausreichen, um es zu lösen.

Vielleicht aber ist ihre Souveränität zu sehr beschnitten und es braucht keine uneingeschränkte „Freiheit“, also Freisprechung von Verantwortung gegenüber den übrigen StaatsbürgerInnen, für Wirtschaftsbranchen gewisser Größenordnung (worum es in Wahrheit geht), sondern Freiheit, im Sinne der politischen Souveränität, für das Volk.


Mehr Verbesserung kann keinem schaden

Man verzeihe den folgenden Ausdruck (wenn man sich davon unangenehm berührt fühlt), aber mit sinnleeren Floskeln wie „Mehr Privat, weniger Staat“ - die das Verlinkte suggerieren könnte, bei jenen die das wollen, auch wenn es nicht explizit gefordert wird - kann man meinetwegen Scheißen gehen. Es gibt ohne den Staat nichts Privates, wie wir es heute zu verstehen wünschen; und ohne dieses Private, wäre der Staat eine paradoxe Legebatterie. Es braucht mehr Freiheit und Dynamik in die Staatlichkeit, und mehr Verantwortung im Privaten! Aber wahrlich: Das eine muss man auch vom anderen verlangen, das eine muss zum anderen führen und beides muss sich austauschen und gegenseitig vertreten.

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* Es scheint mir, als würde in der öffentlichen Debatte zu den aktuellen (Finanz-)Wirtschaftproblemen der Begriff "Produktivität" bewusst vermieden werden, obwohl sich letztlich alles darum dreht - wir aber diesbezüglich vielleicht gar kein Problem haben. Öfter hört man jedenfalls von "Leistung(sgerechtigkeit)", Haushaltssanierung und Wachstum.

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