Dienstag, 6. Dezember 2011

Senf zur Putinwahlshow

Es ist ein wenig voreilig, Putins Stern verblassend zu sehen. Denn man kann keine Wahl verlieren, die nach Meinung diverser nicht mundgetöteter WahlbeobachterInnen gar nicht stattgefunden hat.


Die RussInnen hatten keine Wahl. Die nennenswerten Oppositionsparteien waren nicht zugelassen, die zugelassenen waren von der Diktatur konstruiert, um den Schein von Demokratie zu wahren.
Das sollten die ZeitungsmacherInnen der realen Demokratien eigentlich begreifen: Ein knapperes Ergebnis kann demokratierealistische Verhältnisse vortäuschen. KommentartorInnen die möglicherweise davon ausgehen, dass „Einiges Russland“ die Wahl nicht so ganz manipuliert haben könne, nachdem es kein absolutes Ergebnis nach Vorbild anderer pseudodemokratischer Regime erstellte, gehören entweder zum Verein oder halten Putin für einen Dummkopf – was nur Dummköpfen gelingt.

Schon bei der letzten Wahl hatte Putins Scheinpartei keine diktatorischen 90% erreicht, sondern nur moderate 64% gezählt. Die 46 – 48%, die sich nun erstellen ließen, genügen dennoch für eine absolute Pseudolegitimierung der putinschen Macht in der Duma.

Dass die RussInnen nun aber, mit demselben faden KGB-Gesicht an der Staats-Spitze konfrontiert, die Schnauze voll von selbiger hätten, ist ebenfalls nicht unbedingt richtig. Denn Putin hat hohe Beliebtheitswerte, gewissen Umfragen zufolge deren Falschheit noch nicht ganz geklärt ist. Zugleich gilt die Saga, dass es seine Partei ist, die für Überdruss in der Bevölkerung sorgt. Aber vermutlich liegt allerhand Blödsinn auch hinter diesem Blödsinn.
Die RussInnen sind nicht naiv. Sie sind nur entweder resignierend oder ungehört. Oder tot.

Was außerrussische BeobachterInnen, die nun von Putins Niederlage sprechen und damit offenbaren, dass sie Russland tatsächlich für eine Demokratie halten, liegt wohl vor allem an zweierlei Problemen: Erstens wollen viele im Westen nicht wahrhaben, dass die Oligarchie mit den Atomwaffen und dem vielen Erdgas die alte Tyrannei ist, die sie schon immer war; auch wenn uns die Gorbatschow-Werbeschaltung so viel Hoffnung gebracht hatte.

Zweitens ist das Putin-Regime eine wahrlich sonderbare Tyrannei. Im globalisierten Konsens, dass Unterdrückung ganzer Völker, durch „starke“, harte Männer, eigentlich scheiße ist, die meisten Staaten dieser schönen Menschenwelt sich jedoch geschickt vor der Aufmerksamkeit der übrig gebliebenen Zivil-Staaten verbergen, nimmt Russland eine Sonderstellung ein.
Es ist zu groß und politisch zu wichtig, um sich zu verstecken. Deshalb weiß Putin, dass er hart vorgehen muss, es aber nicht mit Maßnahmen übertreiben darf, die bis all zu einflussreich über die Grenzen seines riesigen Landes hinausreichen. Es ist auffällig, dass Russen, denen man im Ausland begegnet, zum Einen selten kritisch übers Heimatregime sprechen, zum Anderen selten finanziellen Notstand leiden. Neue Staatsbürgerschaften nehmen sie dennoch gerne an.

In Italien regiert seit Jahrzehnten die Mafia mit. Zumal der Unterschied zwischen ParlamentarierInnen und MafiafunktionärInnen generell nicht ganz zu entscheiden ist. Die UNO hat jedenfalls bisher nicht interveniert. Und nun müsste man sich ausrechnen, wie oft Süditalien (oder Kärnten) in Russland hineinpasst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schreib dich aus