Freitag, 24. Juni 2011

Choosing To Answer: Reaktion auf die Reaktion Küngs

Im „Standard“, von Montag, dem 20.6.2011, stieß ich auf den Kommentar des Bischof Klaus Küng. Dieser reagiert auf die Doku „Choosing To Die“, in der Peter Semdley von Terry Pratchett in die Schweiz und dort zum assistierten Freitod begleitet wird. Küngs gut verfasster, aber inhaltlich recht verdünnter Schrieb, lässt sich mit einem Satz charakterisieren, den der Autor selbst liefert. Bezüglich der werbemäßigen Doku stellt er fest: „Dabei ist die Fragestellung manipulatorisch, das spürt jeder objektive Beobachter.“

Genau: Es geht um Emotion, denn argumentativ stellt Küng seine kirchliche Position ebenso schwach dar, wie er es den „ruhigen, schönen, bewegenden“ Bildern der Dokumentation unterstellt. In den meisten Ländern gebe es ein Verbot von Euthanasie und assistiertem Selbstmord, argumentiert er. Die meisten Länder, auf Gottes schöner Erde, werden allerdings von korrupten Regimen und Tyranneien regiert.

Ich könnte also gegenargumentieren: Gerade die Schweiz, in der es den ärztlich begleiteten Freitod gibt, ist nicht nur sehr demokratisch, sondern auch sehr katholisch. Aber das tut Nichts zum Thema und natürlich hat er Recht, wenn er meint, dass Sterbehilfe jeglicher Art ein Tabubruch sei, der auch dessen Missbrauch provozieren könnte. Auch damit, dass das Leiden zum Leben gehöre, ehe er behauptet, dass wir über unser oder das Leben anderer „nicht einfach verfügen können“. Seine Begründung: „Weil wir es empfangen haben“.

Wir könnten also nicht über unser Leben verfügen, aber Selbstmord sei eine Absage an die menschliche Autonomie (wie auch Kant meine, was offenbar als Schmankerl für die Standard-Leserschaft gedacht ist)?!

Fraglich ist auch, warum sich die Kirche nicht gegen eigene Jugendeinrichtungen oder den Aktienmarkt engagiert – diese Bereiche beinhalten schließlich ebenso die Gefahr von Missbrauch. Man informiere sich bei der so genannten „Klasnic-Kommission“ oder der Vatikan Bank (der Mafia religiöseste Waschmaschine).

Letztlich ist es auch „manipulatorisch“, Selbstmord mit Euthanasie gleich zu setzten. Letzteres ist, bei ungeborenen Menschen mit Behinderung, auch in Österreich, immer noch legal. Hier wenigstens, kritisiert die Kirche mit besseren Argumenten. Wir treffen Entscheidungen für die Ungeborenen und Kinder, da bzw. wenn diese selbst nicht dazu in der Lage sind – deshalb müssen wir uns, in ihrem Sinne, für das Leben entscheiden. Jeder mündige Mensch wird allerdings nicht gleich, durch seine tödliche Krankheit, entmündigt, wie der Bischof offenbar teilweise suggerieren möchte.

Auf demselben Zeitungsblatt wird übrigens Sven Kuntzes „Altern wie ein Gentleman“ präsentiert. Dieser setzt sich für die Sterbehilfe ein, fordere ein Recht auf selbst bestimmtes Sterben, was ein wenig irreführen umschrieben ist. Aktive Sterbehilfe bzw. Begleitete Selbsttötung und den Freitod im Allgemeinen, sollte man nicht verwechseln. Auf Letzteres hat jeder Mensch ein Recht. Es ist nicht möglich, jemanden (außer durch unmenschliche Gewalt) dauerhaft an einem Selbstmord zu hindern oder ihn dafür zu bestrafen, weshalb ein Gesetz, gegen den Freitod im Allgemeinen, nicht existieren kann.

Die Assistenz bei der Selbsttötung hat nur den Sinn, diesen Freitod zu erleichtern. Ein medizinisch begleitetes, schmerzfreies und sanftes Sterben, ist natürlich verlockender, als sich selbst den Strick drehen zu müssen, wenn man dazu überhaupt noch in der Lage wäre.

Ich beispielsweise habe eine dezente Höhen- und Gewässerangst und darf, als ehemaliger Zivildiener, keine Schusswaffen erwerben, wodurch einige unkomplizierte Suizidarten für mich wegfallen. Allerdings liebe ich heiße Bäder.

Gegen die interessante Methode, sich im warmen Wasser die Pulsadern zu öffnen, habe ich jedoch hygienische, geschmackliche Hemmungen. Immerhin müssten andere Personen, nach mir, die Wanne noch benützen – Ich neige dazu, in WG’s zu wohnen. Während ich mich deshalb nicht vor einen Zug, vor allem nicht die U-Bahn, werfen würde, weil ich dies den Fahrgästen, insbesondere den jeweiligen FahrerInnen, nicht zumuten wollte.

Man sieht, ohne Hilfe ist das freiwillige Sterben nicht unbedingt einfach. Vielleicht habe ich derzeit auch zu wenige Gründe, mich umbringen.

Nachsatz: Entlässt man sich durch die Selbsttötung auch aus der menschlichen Autonomie, indem man offenbar aufhört Mensch zu sein, so müsste dies für jegliches Sterben gelten. Die Selbsttötung, wenn es tatsächlich eine solche ist, bleibt jedenfalls ein (letzter) Akt menschlicher Autonomie.

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