Dienstag, 29. März 2011

Die Opfer

Woran merkt man, dass man alt wird bzw. um ein entschiedenes Stück älter geworden ist? Ja, ja! Aber nicht an den Knien und auch nicht nur, weil Menschen, die nur etwa fünf Jahre jünger sind, als man selbst, einen plötzlich siezen. Sondern, wenn man Bestandteile der so genannten „Jugendkultur“ nicht mehr nachvollziehen kann. Wobei es einerseits bezeichnend ist, wenn ich zum Ausdruck bringe, dass man diese Kultur zumindest so nennt (man wird nicht nur älter, sondern auch grantiger).

Andererseits hat man das Recht, ab 30, gewisse jugendkulturellen Erscheinungen bewusst nicht mehr verstehen zu wollen, schließlich bekommt man auch diverse Ermäßigungen für coole Aktivitäten und Dienstleistungen nicht mehr (mit denen muss man von da an bis zum Seniorenalter warten – ein weites Stück), hat also auch keinen Grund mehr, cool daher zu kommen. Ich selbst habe mich in den letzten zehn Jahren, durch täglich trainierte Uncoolness, bestens auf diese Lebensphase vorbereitet (wenigstens ein Zukunftsmodell, das hält, was es verspricht).

Aber worum geht’s wieder mal? Um das Wort „Opfer“, dass ich seit geraumer Zeit, immer wieder im deutschen Sprachraum entdecke, stets aus den Mündern oder Interneteinträgen jugendlicher Personen und generell am Ende einer beabsichtigten Beleidigung, als verstärkendes Sprachmittel eingesetzt, also als Schimpfwort. „(…), du Opfer“ ist aber eine äußerst dämliche Beleidigung, wenn man bedenkt, dass es sich um eine recht simple Feststellung handelt. Man wurde Opfer einer vorangegangenen Beleidigung. Genauso gut könnte man z.B. schimpfen: „Mann! Bist du pubertär, du Betroffener!“

Aber vielleicht muss man Persönchen, die so sprechen, gratulieren, wenn sie mit solchem Kommentar belegen, dass sie ihre eigene Handlung erfolgreich nachvollziehen und zum Ausdruck bringen konnten. Die Frage ist auch, ob solche zeitgenössischen Beleidigungsformen sich auch auf ergänzendes Material beziehen, mit Beispielen wie …„du Verkehrsopfer!“, „…du Vergewaltigungsopfer!“, „…du Holocaustopfer!“? Vielleicht ist das die Frage unserer Zeit? Wenn es als beleidigend unschicklich gilt, Opfer von etwas zu sein, könnte dies ein Zeichen für die Verrohung des Sozialstaates sein. Wer Opfer ist, ist selber schuld und daher zu verachten. Das meinen offenbar so manche junge Menschen. Weitere und abschließende Frage: Woher haben die das bloß?

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