Donnerstag, 28. Oktober 2010

Obere und Erdvolk

Es gibt kein Oben, ohne ein Unten. Aber ist die Erde, dieser Planet unseres Lebens, nicht groß, stark, über uns, kleine Wesen, die sich auf ihrer Oberfläche tummeln, ganz erhaben, wiewohl sie zu unseren Füßen liegt? Und ist der Himmel, zu dem die einen betend empor blicken, mit Erfurcht manche, andere aber mit Wissbegierde forschend, nichts anderes, als eine Schutzhülle vor der unendlichen Kälte des Weltraums, in dessen Wettern sowohl Nutzen, als auch Zerstörung wirkt? Wer würde also meinen, das Oben des Himmels zum Beherrscher unseres Lebens zu machen und das Erdreich ganz zu knechten? Bebt die Erde, brechen Dämme, schwemmt ihr Wasser unsere Häuser in die Abgründe; blüht sie, grünt sie, mit allem Gewürm und Krabbelgetier, auf das manch einer verächtlich tritt, so haben die Menschen sattes Leben – wer will dieses Schaffen nun unterdrücken?

Die Menschen wollen es, seit Gezeiten und je besser sie es können, umso heftiger wollen sie es; und wie sie die Erde zu versklaven wünschen, so machen sie’s mit ihresgleichen. Selbstredend bleibt die Erde sich selbst und frei; die versklavten und unterdrückten Menschen aber, ächzen umso mehr. Über ihnen sitzen die menschlichen Falschherrscher, in ihren hohen Türmen, über allem ganz fern; betrachten sich selbst stets, als das Obere, auch wenn sie im Dreck ihrer Macht kriechen. Der Himmel aber, der wahrlich über allem liegt, besteht vielfach aus Gewölk, das sich aufbaut, mit gewaltiger Majestät, ehe es heulend nieder bricht und all die Becken füllt, die Flüsse und die Felder speist.
Der falsche König bleibt auf seinem Throne sitzen und kommt niemals herab, um sein Werk zu verrichten. Wer aber nicht niedersteigt, kann auch nicht aufsteigen, zur Majestät des Himmels. Und wer die Majestät des Himmels erkennt, muss die Majestät der Erde sehen, die am Horizont ihre Krone zeichnet. In ihr sammelt sich alles Wasser, ehe es erneut emporsteigt, sie ist der Urgrund unseres Reisens, der Schoß unserer Existenz. Mit dem Erdreich vergleichen jene Oberen die Volksmassen, die sie düngen und vergiften, bis alles erstickt und verdirbt, um sie abzuernten oder im Mist verwesen zu lassen. Sie sehen das Erdreich nicht, deshalb sehen sie das Volk nicht, und wie auch, sind sie doch blind, sich selbst gegenüber.

Wollen sie wie der Himmel sein, müssen sie vom Wetter lernen: Sein Wirken kommt mit seinem steten Wandel. Wer so ein Werk verrichtet, soll dabei nicht verweilen, nur dann tränkt mensch das Erdvolk dauerhaft, mit dem, wonach ihm dürstet. Wollen sie die Völker aber knechten, wie die Erde, so sollten sie erkennen, dass sie den Berg auf die Spitze zu stellen wünschen. Die Erde ist da, wo sie ist, lebenschaffend – wohin will man sie verrücken? Will man Gruben sprengen, um den Reichtum zu füllen, bis kein Grund mehr über ist, für den Palast? Ein Beben von ihr, ein Erdrutsch und die Reichsten sind dahin – und nachdem ihre Körper zu ihr zurückgekehrt, ganz aufgelöst sind in ihr, füllen sich die Gruben mit Wasser und in den Ruinen der Paläste nistet neues Leben, ganz ohne Herrschaft.

Der Himmel unterdrückt die Erde nicht. Sie hält ihn an sich, damit er nicht in den Weltraum entschwindet, so beatmet und beschirmt er ihr Leben. Der Himmel dient der Erde, bleibt zugleich in seinem Wesen frei und wild. Und so muss der obere Mensch, der sich über allen anderen wähnt, erkennen, dass er nicht nützt, wenn er nicht dem dient, was ihn oben hält. Er halte sich rein, befreie sich von Giften, dann können die Völker rein und frei von Giften werden.

Es gilt auch für die Erdvölker: Was sie an Giften nehmen, womit sie sich verunreinigen, steigt auf, um über ihnen Wolken zu werden. Und das Gewittern der Oberen sollen sie nicht fürchten, es zieht vorüber und würde es nicht vorüberziehen, würde es hernieder fallen und das Erdreich tränken. Wer sich fürchtet, wird beherrscht. Erkennt man aber den Dienst des Oberen, so kann man sich dienen lassen – sowie man sich zu halten lassen weiß, wenn man den Halt erkennt, dem einen das Untere verleiht.

Wer sich das Erdreich untertan machen will, muss herabsteigen und ihm dienen; wer sich am Erdvolk vergreift und dabei verweilt, der kann es nicht herrschen. Wer Schutz und Segen des Oberen wünscht, der muss es halten, wo es dient, wo aber nicht, es verwehen lassen, von den Stürmen, die ihm selbst zu Eigen seien. Und man speise die Bereiche des anderen, womit man gespeist sein will. Der Ursprung der Zweiheit – von Oben und Unten, Himmel und Erde, Oberen und Unteren im Erdvolk – ist die Einheit. Tao.

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