Sonntag, 13. September 2009

Vaterschaft ist mehr als sie ist.

Veränderungen meines Lebens, meiner selbst, die durch das Baby ausgelöst werden würden, waren zu erwarten. Diese fingen eigentlich schon Monate vor Liobas Geburt an; Monate bevor ich einzuschätzen vermochte, was ich glaubte einschätzen zu können. Es stellte sich nämlich heraus, dass die väterlichen Aufgaben nicht mit dem Ver- und Umsorgen der kleinen Neuankömmling getan sind - unabhängig von den überraschenden Pfaden, auf denen man zu dieser Rolle gelangt. Vielmehr löste sich die Sorge von ihren Vorsilben und suchte sich eine dauerhafte Wohngemeinschaft in meinem Kopf, gemeinsam mit Wachsamkeit, Nervosität und Zuneigung.

Erst kürzlich kam Routine hinzu und begann mit Nervosität zu flirten, vielleicht weil sie auf ihr größeres Zimmer aus war, immerhin hatte Routine zunächst lediglich Platz im begehbaren Kleiderschrank finden können. Wie auch immer: Routine hatte Erfolg. Mittlerweile kommen die beiden kaum noch aus Nervositäts Zimmer; das scheint Nervosität gut zu tun, senkt ihren Blutdruck. Vor dieser Beziehung war sie immer sehr aufgeregt und zappelig.

Na, jedenfalls ist es nicht damit getan einfach nur da zu sein, selbst wenn man wollte und selbst wenn man gerade nicht da ist: Immer geht es einem im Kopf umher, dieses Kind, als inneres Kind sozusagen, und man muss schon sehr darauf achten, wo es hintritt. Es bedarf eines ständigen Bedenkens, Befühlens, Abwägens, Taktierens. Warum weiß ich auch nicht, aber mit einem Male verwandelt man (und frau) sich in einen Verwaltungsapparat, in das Topmanagement eines Kinderzirkus. Ich war nur wenige Schritte davon entfernt, vorsorglich den nächsten Kindergarten für die einmonatige Kleine zu inspizieren; im wahrsten Sinne, denn dieser liegt nur wenige Meter von unserer Wohnung – der Kommandozentrale „Windelburg“ – entfernt. Um den Hort zu infiltrieren müsste ich nur aus der Hintertür hinaus schleichen und den benachbarten Zaun überwinden. Aber mann sollte es nicht übertreiben, denn bis es soweit ist, haben die vielleicht schon das Personal gewechselt.

Jedenfalls ist das manische Bedenken aller möglichen Dinge, welche für die Kleine getan oder gebraucht werden könnten, erstaunlich absurd: So ein Baby muss genau genommen nur essen, schlafen und scheißen, dazu muss es sehr lieb gehabt und gelegentlich herumgetragen werden. Das kann so schwer doch gar nicht sein, könnte man glauben; aber das eigene Gehirn - vielleicht liegt's am Instink - richtet sich ganz und gar darauf ein, aus dieser kleinen, einfachen Sache einen hochkomplexen Fall von Fürsorge zu konstruieren, dem ein hyperaktives, permanentes Krisenmanagement ohne eigentliche Krisen hinzugezogen wird. Nur für den Fall eines Falles von Werweißwas werden da mehrere Größen von Windeln, unterschiedliche Fläschchen und Sauger, diverse Tragetuchmodelle und Transportvehikel für alle Umstände in Bereitschaft gebracht (die zum Glück von nicht weniger sorgenden Verwandten und Bekannten finanziert werden). Bedienungsanleitungen und Packungsbeilagen werden studiert und auswendig gelernt, vorbei sind die experimentierfreudigen Zeiten, zu denen man sich so manches Instantfutter aus dem Bauch heraus zubereitet hatte und ungeprüft in den Bauch hinein wandern lies – aber nun geht es auch um ein sehr kleines, unerfahrenes Bäuchlein. Tage werden nun im Voraus geplant! – Eine Denkanstrengung, die ich in meinem bisherigen/vorhergehenden Leben weitgehend meiden konnte.

Doch über all dem liegt der, wenn alles klappt, friedliche Schlummer Liobas, der dieser ganze Wirbel um ihr Persönchen völlig an der Windel vorbei geht. Die Körperpflege, mit der sie sich selbst guterdings, und im Gegensatz zu uns, noch nicht bewusst auseinandersetzten muss, geschieht ihr wie von selbst – ob sie will oder nicht. Ansonsten begnügt sie sich derweilen mit dem Grundlegenden im Leben: Mit warmer Milch, Kuscheleinheiten und jemanden der sie auf den Arm nimmt.

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