Montag, 14. September 2009

Unheimliche Freundlichkeiten

Weitere Veränderungen, oder Verwandlungen gar, scheinen sich mit Liobas Kommen und Dasein, auch in meiner äußeren Gestalt vollzogen zu haben. Vielleicht hat sich auch bloß mein Auftreten gegenüber meinen Mitmenschen gewandelt, weil ich beispielsweise buchstäblich keinen Kopf mehr für Umgangsformen habe. Worauf ich mich früher stark konzentrieren musste, damit mir keine Unsinnigkeiten, vor allem Fremden gegenüber, ausrutschen, hatte gerade um Liobas Geburt herum, keinen Platz in meinen Gedanken und so sprach aus mir, was aus mir sprechen wollte. Auch musste mich auf den Autopilot meiner Gestik verlassen.

Kein Wunder also, dass ich nicht mehr weiß, was ich zu den alles zu den Straßenzeitungsverkäufern, Pizzabudenbetreiber, Schalterbeamten, Kellnern, Krankenschwestern und Ärzten sprach oder wie ich mich ansonsten verhielt. Ich rauschte von totaler Zerstreuung umnebelt durch die Welt.

Das Erstaunliche dabei war: Noch nie erlebte ich die DienstleisterInnen, VerkäuferInnen und sonstige urbane, humanoide Erscheinungen so freundlich, höflich und/oder nachsichtig (wegen der Zerstreutheit) mir gegenüber, wie in dieser Zeit. An nur einem Tag erlebte ich in zwei verschiedenen Städten, an der Bahnhofinformation, dem Ticketschalter, beim Zeitungskauf in der Buchhandlung und in Person des Busfahrers (in Salzburg!) Freundlichkeit durch Mitbürger. Eine Mischung aus schöner Überraschtheit und unheimlichen Beklemmungen begleitete mich die Reise über. Beinahe überkam mich Paranoia und ich spekulierte auf eine Verschwörung, oder darauf, dass es mit der Urlaubszeit zu tun hatte: Allesamt Vertretungen, und wenn die üblichen Angestellten von ihren Club-Saufwochen an irgendwelchen Stränden zurückkehrten, wäre alles wieder beim Alten. Eine andere Theorie: Offensichtlich zahlt es sich aus, nicht darüber nachzudenken was man tut oder sagt, sondern es einfach laufen zu lassen. Gegenthese: Vielleicht hatte man auch nur Mitleid mit meiner zerstreuten Erscheinung. Die beginnt sich übrigens wieder zu legen, schließlich gewöhnt man sich bekanntlich an beinahe alles; mal sehen wie es mir dann mit der gewohnten, zerstreungsfreien Wahrnehmung der Mitmenschen in dieser Stadt geht. Vermutlich werde ich feststellen, dass die Zerstreutheit etwas allgemein Übliches ist und ich nur deshalb in den letzten Wochen so gut mit den Leuten konnte, weil ich mich den Gepflogenheiten anpasste. In solchem Fall werde ich auf Alkohol zurückgreifen müssen.

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