Sonntag, 24. Mai 2009

Lebenswasser der Demokratie

Neofaschistoide Jugend in Ebensee; eine „Ungarische Garde“, die sich für eine gelungene Mutation aus Katholizismus und Faschismus hält; eine „Nationale Partei“ in Tschechien, welche die „Endlösung der Zigeunerfrage“ fordert: In den mitteleuropäischen Wohlstandsdemokratien gären die faulen Säfte der ruhmlosen Vergangenheit.
Wie kann das passieren, fragen sich BürgerInnen, PädagogInnen, LehrerInnen, PolitikerInnen und Erziehungsberechtigte in der gesamten EU. Indessen halten die Büsten einstiger Vordenker und Vordenkerinnen, aus den Fenstern österreichischer Bildungsanstalten, Ausschau nach besserem Wetter.

In ihren Räumen quält sich ein Großteil der Schülerinnen und Schüler damit, Lesen und Schreiben, ein wenig Kopfrechnen, sowie die ungefähre Position ihres Heimatlandes im Wirrwarr der Staatsgrenzen zu lernen; im weiteren Verlauf wird auf ihre bestmögliche Produktivität am Arbeitsmarkt hingearbeitet, während die Medien die Erziehung zu braven Konsumentinnen und Konsumenten vornimmt. Der Mensch als politisches Wesen verwahrlost zwischen Berufseignungstests und Süßigkeiten.

Offenbar genügt es einer Demokratie nicht, wenn ihr Humus sich aus Konsum, Wohlstand und Unterhaltung zusammensetzt – Politische Bildung im Geiste von Demokratie und Republik wäre das nötige Wasser für den welkenden, inneren Korpus des demokratischen Staates. Wohlstand allein garantiert Demokratie nicht; Fastfood, schnelle Autos, Stöckelschuhe und die Freiheit sich jeden Dreck ins Gehirn zu ziehen, bewahren die Republik nicht.

Es sollte zu den Pflichten der Verantwortlichen gehören, an den Schulen im Geiste der Demokratie und der Menschenwürde unterrichten zu lassen, im erneuerten und sich stets erneuerndem Sinn der Aufklärung. Das aktuelle demokratische System, wenn nicht Demokratie im Allgemeinen, ist ein politisches System der Gebildeten. Seine Wurzeln liegen in der Philosophie und der Aufklärung.

Ohne aufgeklärte und gebildete politische Akteure kann eine Demokratie nicht dauerhaft bestehen. Politische Akteure sind in einer wahren Demokratie alle Menschenwesen, die dem demokratischen Staat angehören (oder von seinem Einfluss direkt betroffen sind). Jeder Bürger und jede Bürgerin muss daher ausreichend politisch gebildet und aufgeklärt sein. Eine solche Bildung zu erhalten ist in einer Demokratie das Recht jeder Staatsbürgerin und jedes Staatsbürgers, sie anzustreben und zu pflegen deren Pflicht, ansonsten verkennen sie die Demokratie und sind ihrer weder befähigt sie auszuführen noch ihrer würdig.

Mündigkeit wird in einer wahren Demokratie nicht vom Gesetzt gegeben, sondern allein durch Bildung und Denken erlangt. Eine demokratische Gesellschaft, die auf politische Bildung und Aufklärung nicht ausreichend Bedacht hält, wird zugrunde gehen – früher oder später. Niveaulose Gratis-"Zeitungen" (und manche Blätter für die Leute freiwillig bezahlen) oder Wahlkampfplakate so genannter "Freiheitlicher" (das heißt Frei-von-Verstand-und-Anstand-Seiende), sowie deren Erfolge, sind Vor- und Warnzeichen dafür.

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