Donnerstag, 9. April 2009

Experten

Experten: Sie sind gefragt,
Ob laut, ob leise, jung, betagt,
Ein Titel wie dieser ist leicht erhalten,
Klingt durch alle Medienanstalten,
Selbst wenn die Expertise ewig versagt.

Ein Limerick als Intro mag ein fraglicher Anfang sein, aber jetzt einmal ehrlich: Experten für alles Erdenkliche, die uns in den Medien die Welt erklären, sind schneller gefunden, als SexarbeiterInnen am Wiener Gürtel. Experten erhalten diesen Titel für und von der Öffentlichkeit, der sich jeder Kontrolle, jeglicher Jury entzieht; dennoch beraten sie die WirtschaftsakteurInnen und PolitikerInnen bis alle Blasen aufgebläht und geplatzt sind und wenn das ganze, mit Mühe am Leben erhaltene System, dank ihrer Expertise, röchelnd im eigenen Dreck liegt, dann beraten sie weiter. Warum auch nicht? Solange in einer demokratischen Gesellschaft gewisse Einfallspinsel das Etikett Experte/Expertin am ausgestreckten Mittelfinger den weniger Einfallsreichen entgegenhalten können, wird zu ihnen aufgeblickt. Dann genügen verdrehte, ständig abgeänderte, etymologisch und logisch nicht nachvollziehbare Begriffe, Phrasen und Wortkonstrukte, mit denen man noch abstruser verdrehte Satzkonstrukte verformuliert, schon sind die Selbstbewusstlosen schmähstad (sprachlos).

Woher kommt diese unbegründete Ehrfurcht vor selbsternannten intellektuellen Eliten? – zu denen man bereits angehören möchte, wenn man Golf spielt, Polo Shirts trägt und eine Tageszeitung auf dem Kopf balanciert. Woher kommt diese Furcht vor der eigenen intellektuellen Stärke und Autonomie in der breiten Bevölkerung? Denken ist kein Geburtsrecht eines von Inzuchtkrankheiten gezeichneten, geistigen Adels.

Nun kommen Experten nach gewissen Studien zu dem Schluss, dass Kinder aus so genannten „Arbeitslosen- und Migrantenfamilien“ besonders Armutsgefährdet seien: Welch eine Erkenntnis! Dies kann man wunderbar diskutieren, die Ergebnisse von Experten über Naheliegendes, ihren Weg dorthin und was das alles für die Gesellschaft bedeuten könnte, wenn die Gesellschaft es wissen wollte. Man kann es thematisch zerpflücken, zerkleinern, pürieren, verkochen, wieder aufwärmen und irgendwelche Appelle an eine Regierung herausbacken, die nicht hören muss, weil sie für vier bis fünf Jahre gewählt wurde, um sich im Parlament zu verbarrikadieren und durch Experten vorauskalkulierte Pläne (für die nächsten vier- bis fünf Jahre) abzuarbeiten. Gehen die Pläne aber nicht auf und mischt sich eine, von Nicht-Regierungs-Experten, so genannten Fachleuten, durchaus prophezeite Weltwirtschaftskrise hinein, so werden die Regierungsexperten nicht gefeuert, der Kurs nicht geändert, das eigene Handeln nicht hinterfragt, sondern erst einmal die selben Regierungsexperten befragt.

Die sollen dann herausfinden, was überhaupt geschehen ist und daraufhin einen Vier-bis-Fünfjahres-Plan ausarbeiten. Wundert sich jemand, wenn die alten Experten nicht Expertenversagen als Fehlerquelle diagnostizieren? Es wird offenbar auch niemand misstrauisch, wenn die Wirtschaftkrise, an der Heerscharen an Experten unterschiedlichen Terrains mitwirkten, aus der Sicht der Mitverantwortlichen „bekämpft“ wird, indem man noch mehr (Steuer-)Geld in die schwarzen Taschen-Löcher der Mitverantwortlichen wirft.
Irgendwann wird das Loch schon gestopft sein, hoffen die Experten und freuen sich auf ihre Pensionen. Daraufhin ist dann jedermensch erstaunt, dass die Regierungen ihre Ausgaben drastisch senken müssen, weil nix mehr zum ausgeben da ist. Wo ist bloß das ganze (Steuer-)Geld hin verschwunden? Die Experten haben keine Ahnung und damit ausnahms- und paradoxerweise Recht.

Wenn ein Mensch, der den Titel des Experten erst einmal trägt, rät, man möge sich nicht nach Spekulationen, sondern Fakten orientieren, so wird im Publikum eifrig zugenickt. Wenn dieser Experte mit seinen übrigen Ratschlägen allerdings ewig versagt, so werden diese Ergebnisse als Fakten nicht berücksichtigt, sonder eifrig weiter spekuliert, warum alles anders gekommen ist, als eigentlich geplant war - Dann werden Experten-Honorare ausbezahlt.

Mein Appell lautet daher: 1) Fürchtet euch nicht vor eurem eigenen Denken und vertraut auf eure eigene Urteilskraft, auch wenn ihr kein Phrasenbuch oder Fremdwortlexikon ihm Nasenloch stecken habt.
2) Wenn ihr einem Menschen mit dem Titel „Experte“ begegnet,der diesen für selbstverständlich und seine Expertise für päpstlich erachtet, so verpasst ihm einen ordentlichen Tritt in den Hintern.

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