Sonntag, 11. Januar 2009

Europäische Solidarität auf Spindeleggerisch

Die Slowakei handle widerrechtlich, meint der österreichische Außenminister, da sie ihr altersschwaches AKW Bohunice wieder aus dem Ruhestand holen muss, wenn ihre Wirtschaft bzw. Stromversorgung nicht völlig daniederliegen soll. „(…) denn eine solche Krise kann auch nicht dazu führen, dass man einen Vertrag bricht“, spricht Außenminister Spindelegger, zuvor jedoch, dass man erst prüfen müsse, ob es überhaupt eine Krise gebe – von Seiten der EU, wie anzunehmen ist, welche die Abschaltung des Atomkraftwerks damals zur vertraglichen Voraussetzung des slowakischen EU-Beitrittes gemacht hatte.

Das ganze Aufplustern mag seine innenpolitische Wirkung haben – die ÖVP liebt schließlich Männer, die zeigen, wie tollkühn sie übergroße Worte schwingen können -,
außenpolitisch hingegen dürfte es, sofern es überhaupt gehört wird, als österreichische Überheblichkeit bezeichnet werden.

Österreich, dessen EU-skeptisches Volk jegliche unangenehme Einmischung Brüssels mit der Wahl rechtsextremer Subjekte ins Parlament (und innerhalb des Parlaments) abstraft; das zwar auf eigenem Boden keine AKWs haben will, aber dennoch fleißig Atomstrom importiert; das seinerseits vielleicht keine Verträge im offiziell juristischem Sinne, aber jedenfalls Abmachungen beispielsweise über die Menschenrechte beständig bricht (ebenfalls dank ÖVP; siehe Asylpolitik), sollte einem anderen EU-Mitglied, das sich in einer solch schlimmen Situation befindet, zunächst Hilfe anbieten.

Solidarität wenigstens zu äußern – zu mehr sind Regierungsmitglieder ohnedies selten fähig (die echte Solidarität überlassen sie den Nichtregierungsorganisationen) - wäre „diplomatisch“ sinnvoller, als der Slowakei in ihrer Notlage in den Rücken zu fallen und während ihr Gas und Öl ausgeht mit dem Finger auf ihre Regierung zu zeigen und plärren: „Vertragsbruch, Vertragsbruch!“

Der erste Stein fliegt von Seiten Spindeleggers und mag im Großen wenig Bedeutung haben, für Interpretationen der politischen Haltung dieses Menschen, seiner Regierung und Partei jedoch einige Grundlagen ausbreiten. Es ist die Haltung von Menschen, die Verträge kleinlich betrachten, wenn es ihnen nützt; dort wo jedoch Verträge ohne Papier gesetzt sind oder zu allgemein formuliert, um sie kleinlich betrachten zu können, da sie wirklich Wichtiges beinhalten, verstummen.

Kein/e Außenminister/in der ÖVP würde je den Paten Berlusconi, im südlichen Nachbarland, so laut kritisieren, wie es ihm zustünde. Kein/e Innenminister/in der ÖVP würde den slowenischsprachigen Österreichern zu ihrem in der Verfassung verankerten Recht verhelfen. Mit dem extremen Nationalismus und der Korruption will man es sich seltsamerweise nicht verscherzen. Aber sobald einem Land, wie der Slowakei das Gas ausgeht, wird ihm mit den Worten juristischer Kleinkariertheit auch noch ins Kreuz getreten.

Es geht um die mangelnde Vorbildwirkung in der Politik – die aber, laut Regierung, ohnehin nicht so wichtig ist, wie die Verharmlosung von deutschnationalen österreichischen Nationalratspräsidenten, und ihren ehemaligen oder auch nicht ehemaligen Nazi-Bewunderern im Mitarbeiterstab, aufzeigt. Hauptsache man erinnert sich an den linksextremen Terror – der war vergleichsweise auch wirklich arg und im letzten Jahr hatten die Kids sogar ein Haus besetzt. Das war aber leider kein Vertragsbruch, sonst hätte der Spindelegger schon auf den Tisch geschlagen.