Dienstag, 14. Oktober 2008

Interpretationen um die 30

Noch immer werden die Nationalratswahlen ausführlich diskutiert, vor allem die Bedeutung des enormen Stimmengewinns der FPÖ (aber auch des BZÖ) und hierbei gerne die Rolle der jüngeren Wählergruppen. Das mag wichtig sein, rechtsgesinnte Jugend, schön und gut (man kann sie ja verbieten, wenn’s einem nicht passt), aber als ein Unter-Dreißigjähriger, stelle ich mir in erster Linie folgende Frage: Welche Altersdemenz lässt die Statistiker sowie mediale Kommentatoren, aus der Altersgruppe der Über-Dreißigjährigen, sämtliche Unter-Dreißigjährige in einen Topf schmeißen, auf welchem häufig in großen, roten Lettern „Jungwähler“ gesprayt steht. Zwischen dem 16. und 30. Lebensjahr stehen wie viele Lebensjahre?

Nach der Pisa-Hysterie und der Skizzierung von Schulen, die mit Kindern immigrierter Eltern voll gestopft seien, die nicht Deutsch könnten und allein deshalb verdummten, frage ich mich, ob jene Experten wissen, dass 16 Jahre eine lange Zeit sein können. Gerade in der Jugend sind diese Jahre erfüllt von Lernprozessen, neuen Erfahrungen und ganzheitlicher Entfaltung – wenn alles gut verläuft.
Darf man ernsten Willens eine nationale Jugendparanoia, vor jedem vierten Kid, entwickeln, indem man sämtliche WählerInnen von 16 bis 30 als eine Gruppe von Gleichartigen und Gleichaltrigen zusammen-interpretiert, als eine Generation.

Natürlich lässt sich weniger Dramatik aus Statistiken herausschlagen, wenn man die Jungwählergruppe beispielsweise vom 16 bis zum 21 Lebensjahr einschränkt. Vermutlich sähen die Zahlen dann ganz anders aus und man würde beginnen, die Gesamtbevölkerung, die ohne Immigration bekanntlich immer älter werden würde, zu betrachten und feststellen, dass auch viele ältere WählerInnen ebenso ihr Kreuz beim Rechtspopulismus ablegten, obwohl sie es – den Interpreten einer verdummten Jugend nach zu urteilen – besser wissen müssten.

Wie ausschlaggebend ist die Lebenserfahrung für das politische Verständnis, wenn jemand sein ganzes Leben lang die geistige Befassung mit Politik vermieden hatte? Wie ausschlaggebend ist sie für die Kinder solcher Menschen? Darüber sollten die Experten einmal eine Statistik erstellen.

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