Samstag, 11. Oktober 2008

Haider ist tot

Die ersten Worte, die ich hörte, als ich heute das Radio, noch vor dem ersten Kaffee, einschaltete: „…Morgen. Jörg Haider ist tot.“

Also heißt es im Lande: Blumen für Jörg Haider. Das ist schon ein Schock, nicht nur trotz, sondern gerade wegen meiner politischen Diskrepanz ihm gegenüber. Hat man von Jugend an eine besondere politische Feindfigur, so fühlt sich ihr Verlust schwerer an, als man glauben würde, ehe der Mensch hinter der Figur plötzlich stirbt.

Ich war noch nicht richtig wach, als ich das Morgenjournal auf Ö1 aufdrehte und sogleich mit seinem Tod konfrontiert wurde. Zunächst dachte ich an einen Scherz, bevor mir einfiel, dass ein solcher im Kulturradio doch recht unwahrscheinlich war. Es folgte der Eindruck eines Verlustes, eines verlustig gehenden Bestandteils im wagen Vorstellungsgefüge vom kollektiven politischen Hirnstrom dieser Nation.
Bei allen sentimentalen Lobeshymnen die nun diesem Politiker herangetragen werden, möchte ich nicht falsch verstanden werden: Die politische Figur war mir eine feindliche, eine die mir gefährlich erschien und sich für manche in diesem Land, als Gefahr bestätigte. Den Menschen dahinter kannte ich jedoch nicht und es zeigt die Lebenserfahrung, dass sich der private Eindruck gänzlich vom öffentlichen unterscheiden kann. Ich werde es im Falle Jörg Haiders nicht mehr überprüfen können.

Kondolenz sowieso. Von allen Seiten der Politik kommt nun wenig Kritik am umstrittenen Politiker, aus der Sicht des Altkanzlers Vranitzky teilweise dafür so manche Übertreibung, was Haiders Leistung für die Politik des Landes betrifft. Übertreibungen sind verständlich. Immerhin wurde selbst Lise Prokop nach ihrem plötzlichen Tod dermaßen mit Kränzen beworfen, dass man hätte meinen können, sie hätte im Alleingang den Gletscherrückgang und den Drogenhandel aufgehalten. Wenn Menschen sterben, umgibt sie sogleich eine Art mystischer und teilweise auch mythischer Filter.

Geprägt hätte Haider die österreichische Politik. Das lässt sich so nicht abstreiten, auch wenn Vranitzky eher von katalytischer Wirkung spricht und nicht stehen lassen möchte, dass viele wichtige Reformen allein auf dem Misthaufen des Kärntner Landeshauptmannes gewachsen seien.
Jene katalytische Wirkung ist jedenfalls wahr, sie bekommen Asylwerber in Österreich täglich auf schmerzhafte zu Weise spüren und vielerlei Repressionen gegen sie waren dereinst tatsächlich und hauptsächlich Haiders Mist – nur umgesetzt wurden sie tatsächlich und hauptsächlich von Anderen.
Da unter diesen Anderen auch Ex-Kanzler Schüssel ist, freut es mich, wenn er bei seinem Nachrufen (neben dem typisch unkritischen Allgemein-Geredes) erkennt: „Es (Haiders Tod) zeigt, dass wir Menschen sind.“ Daran sollte er auch denken, wenn er das nächste Mal an einer Schubhaft-Anstalt vorüber fährt.

Nun ist er tot. So ist es nun einmal und niemand bringt ihn uns wieder, um mit ihm über seine Ansichten zu streiten. Figur und Mensch Haider haben sich aus der Show gestohlen und wir können nur noch die übrig gebliebenen Schatten, nicht aber die Figur selbst überwinden.
Ob der rechts-extremere Strache nun durch den Tod Haiders gestärkt wird, möglicherweise nun bereit ist, das BZÖ einzusacken, da er nun keine Konkurrenz von seinem Ex-Meister zu befürchten hat, bleibt abzuwarten, jedoch zu befürchten. Strache selbst urteilt über Haider, dass sich dieser um die „Demokratisierung“ Österreichs verdient gemacht hätte. Allein eine solche Aussage sollte Alarmglocken zwischen den Ohren erschallen lassen – auch wenn bei vielen Österreichern (etwa 17% der WählerInnen) dort kein Resonanzraum vorhanden ist. Im Vakuum schwingt kein Alarm. Jedenfalls wusste ich nicht, dass Haider bereits so alt war (ich dachte er starb mit 58) und bereits nach dem Zweiten Weltkrieg, gemeinsam mit den Alliierten und den damaligen Vertretern demokratischer Parteien, an der Zweiten Republik arbeitete, wie der Zahntechniker Strache scheinbar vermitteln will (Da wundert sein Abbruch des Studiums der Geschichtswissenschaften kein bisschen mehr – hatte ihm offenbar nicht gefallen, diese Wahrheiten, die man dort lehrte).

Aber zurück zum Verstorbenen: Mit Jörg Haiders Tod muss ich mich von einem lebenden Feindbild verabschieden, auch wenn Feindbilder selbst, auch nach dem Tode des Belebers, erhalten bleiben.
Ich kann ihm nachträglich zugute halten, dass mir sein äußerliches Erscheinen niemals so ungut entgegenwirkte, wie seine politischen Ansichten und Äußerungen und er daher auch nicht gleichermaßen unsympathisch war, wie sein letzter Konkurrent H.C Strache ganzheitlich immer noch ist. Für mich war Jörg Haider vor allem Rechtspopulist und Entertainer, eitel und in gewisser Weise uneins mit sich selbst (Letzteres erschien mir vermutlich deshalb so, weil mir die Vorstellung schwer fällt, Rechtspopulisten könnten tatsächlich meinen was sie sagen).

Er verunglückte übrigens bei einer Geschwindigkeit von 142 Kmh und, wie bereits ein anderer Kommentator bemerkte, scheint dies auf tragische Weise seiner Lebensweise zu entsprechen: Schnell war sein Aufstieg in der Politik, immer wieder überraschend seine Erfolge und ebenso schnell und überraschend war sein Tod. Friede sei mit ihm - und das meine ich an dieser Stelle ernst - Friede sei mit ihm.

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