Freitag, 12. September 2008

Späte Einigung mit voller Härte

Was wohl mit dieser österreichischen Noch-Regierung geschehen wäre, wenn sich die Verantwortlichen der Koalition zu in einem früheren Zeitraum – als den letzten Wochen des Neuwahlkampfes – mit Strafregelungen für Sexualstraftätern auseinander- und zusammengesetzt hätten? Vielleicht hätte es weniger Krach und jedenfalls hätte es bereits eine sichtbare Leistung der Noch-Regierungskoalition zu verzeichnen gegeben. Natürlich gab es die Innenministerin Fekter noch nicht, bevor sich ihr heftig kritisierter Vorgänger hinter die Tirolerberge verzogen hatte - sie konnte also auch noch nicht dem Gewaltschutzpaket von Justizministerin Berger zustimmen, das der vormalige Innenminister vermutlich für ein Paket zum Gewaltschutz all jener hielt, die durch seine eigenen Aufträge zu Schaden kamen. Die neue Dame für Inneres wusste aber scheinbar, worum es geht: Verschärfungen bei den Strafmaßnahmen für Sexualstraftäter, ja, das ist auch etwas für die ÖVP. Immerhin hat sie die großformatigen Wahlkampfplakate bereits an die öffentliche Luft gesetzt und fordert nun dasselbe, wie die SPÖ, die ihre strafrechtlichen Vorhaben allerdings weniger plakativ kommuniziert – und deshalb auch die auf den ÖVP-Wahlplakaten abgebildeten RichterInnen nicht NICHT um Erlaubnis hierfür fragen muss (laut RichterInnen).

Aber immerhin herrscht Aufregung unter den Schwarzen. Einzelne ÖVP-Mitglieder kamen in den letzten Tagen und Wochen auf viele neue Erkenntnisse: Abgeordneter Missethon beispielsweise erkannte: „Hier wird bestellt, die Rechnung bezahlt der Steuerzahler“ – Richtig: Der Staat funktioniert halt ein wenig anders, als ihre politische Partei Herr Dipl.-Ing.; seine Einnahmen erhält er selten durch die persönliche Zuwendungen zuwendungsbedürftiger und vor allem reicher Interessensvertreter aus Wirtschaft und Industrie. Der Steuerzahler muss darauf achten, dass die Verwalter SEINES Staates und Geldes die richtigen Rechnungen bezahlen – und dafür erhält er selten Investoren-Sponsoring, sondern meistens nur leere Wahlversprechen.

Eine weitere Erkenntnis – neben den zahlreichen Augenöffnern im Sozialbereich (auch dort findet sich auf einmal eine Wählergruppe) – ist also das große Thema der unliebsamen Sexualstraftäter. Da lässt sich schon einiges herausholen. Mit unglücklichen, jedoch dramatisch aufgeladenen Slogans, wie „Volle Härte bei Kindesmissbrauch“, bei dessen Abbildung lediglich die bereits erwähnten, ernst dreinschauenden RichterInnen dafür sorgen, dass das Sprüchlein nicht falsch verstanden werden könnte. Auch in die richtige Richtung führt die kleinere Überschrift: „Wir schützen Opfer, nicht Täter“. Für dieses Bekenntnis haben die Verantwortlichen zwar noch keine Auszeichnung verdient, aber es zerstreut – sofern man es lesen kann – die letzten Zweifel: Denn was für ein Opferschutz wäre es, wenn man die „Volle Härte“ beispielsweise nach Richtlinien des Jugendslangs auffassen würde – Und die Jugend darf nun ebenso wählen, was allerdings keinen Unterschied macht, weil die Beeinflussbarkeit durch Verblödung ohnehin mit dem Alter nicht ab- sondern zunimmt. Wurscht!

Wahlkampfzeit ist Feindbildzeit und wenn die bösen Ausländer schon nicht unterschwellig für die Probleme im Land verantwortlich gemacht werden, weil einem sonst nix einfällt, dann kann man wenigstens die Grauslichen unter den Innländern zur Zielscheibe von Irgendwas machen. In diesem Fall meint „Irgendwas“ a) eine Einigung mit der SPÖ, die man vielleicht sogar noch im Palaverment durchsetzten kann, was sich sogar auf schwarze Fahnen schreiben lässt; b) eine gute gerührte Melange des Hasses und Zornes, aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft, aus deren nach Rache strebenden Pöbelmasse sich einige Stimmen holen lassen können, sofern man verspricht, all die perversen Schänder, die kranken Kellermeister so hart wie möglich bestraft.

Da verstehe ich nur nicht, worauf man all die Jahre gewartet hat. Immerhin wurde die erste Frau in Österreich nicht erst heuer vergewaltigt. Den Opferschutz weiterhin zu erhöhen, ist sicherlich wichtig, aber kein lobenswerter Fortschritt, sondern eine Verpflichtung des Staates, die er spät, aber doch, endlich einhält.

Wer bedenkt jedoch die Opfer der Zukunft, die teilweise ihrerseits zu Tätern werden, um wiederum Opfer einer rächenden Staatsgewalt zu werden? Vielleicht wird es funktionieren, wenn man Straftäter zwangskastriert, lebenslänglich wegsperrt, mit Aufnahme in eine öffentlich ersichtliche droht – auch wenn dadurch die eben etwas gestiegene Fertilitätsrate (der Papst jubelt) dadurch wieder sinken würde (Warum hat Afghanistan – Machohausen der bärtigen Frauenmissversteher - wohl eine so hohe Fruchtbarkeitsrate? Na, wer kommt drauf?). Vielleicht wird die Frau, die ihrem triebtätlichen Vergewaltiger zu schreit, dass er aufhören solle, wenn er nicht mit einem Berufsverbot belegt werden möchte, von all den schönen Neuerungen aber auch gar nichts haben.

Also wieder nur Geplärre um Symptombekämpfung. Auch Überwachungskameras finden erst Verwendung, wenn das Verbrechen bereits geschehen ist. Was aber vor dem Verbrechen geschieht, die Ursache und der Kreislauf von Gewalt – vor allem, jedoch nicht nur, gegen Frauen und Kinder – im Wirkungsbereich der Sexualität, sind offenbar nicht wahlkampfgeeignet. Wahlkampf ist offenbar nur etwas für Hohlköpfe. Hohlköpfe, die bereits jubeln, wenn ihnen andere Hohlköpfe versprechen, dass sie Verbrecher auf eine Weise bestrafen werden, die bisher nicht viel nutzte – nur noch mehr davon und vor allem härter. Hohlköpfe, die sich darüber wundern, dass ein kranker Mensch, der 15 Jahre im Gefängnis saß, nicht gesund wurde.

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