Sonntag, 28. September 2008

Kann man verstehen, muss man aber nicht

Vor kurzem träumte mir eine Verfolgungsjagd, auf den Dächern irgendeines Fabrikgeländes. Verfolgt wurde ich und zwar von einer Masse kurzhaariger Neonazis.
Heute haben geraden die Rechtspopulisten bei den österreichischen Nationalratswahlen ordentlich zugelegt, die rotschwarze Festung wurde an-geschliffen – was nicht wundert – und die Grünen finden sich auf Platz 5 in den Parlamentsrängen wieder.

Das Ergebnis verwundert mich in Bezug auf die Letzteren. Die Grünen wurden von mir gewählt, da sie nicht nur zur Wahlkampfzeit sichtbares und spürbares Engagement im Bereich des Sozialen, Humanistischen, Umweltpolitischen, Demokratischen und Rechtsstaatlichen beweisen. Dies wird allerdings nur für all jene Staatsbürger sichtbar, die – wenn überhaupt – abseits der Massenmedien hinsehen…So gesehen, sollte mich das Ergebnis wiederum nicht verwundern. Aber besser ist’s sich zu (ver)wundern, als zu ärgern und wenn, dann wundere ich mich gewaltig.

Die so genannten „Protestwähler“ haben sich also dazu entschlossen, mittels inhaltsleerer, gehässig-heißer Luft zu protestieren, die, trotz „sozialistischem“ Make-Ups, aus den rechten Plärrern qualmt.
Muss man verstehen: Denn die Welt wird immer komplizierter, es gibt und gilt immer mehr zu wissen, wenn man den Überblick über das Weltbild behalten will und die Errungenschaften der Informationstechnologie bringen auch nur Klugscheißer hervor, die einem alles Mögliche einreden können. Was ist Wahrheit und was ist Werbung?
Natürlich macht diese Entwicklung vor dem Inland nicht halt und so ist es verständlich, wenn viele Noch-Bürger resignieren und „es reicht!“ rufen, ehe sie sich dazu entschließen die unangenehm mühsame Reflektion, Selbstüberwachung und Analyse der Welt sein zu lassen und sich wieder auf „alte Werte“ zurücklehnen – „Werte“ wie den so genannten Fremdenhass. Selbiger ist aber gar nicht so gemeint.

Natürlich hassen die braven Deutsch-Österreicher, Exjugoslawisch-Österreicher oder Türkisch-Österreicher (die nicht kapiert haben, dass der Nationalismus diesmal nicht ihren eigenen Totalitarismus unterstützt, sondern ausschließlich jenen der ersten Gruppe) nicht die Fremden. Einer der alten Haupt-„Werte“ der Menschheit schlechthin – das hat nicht erst der Hitler erfunden – kann viel mehr auf eine Regel reduziert werden: Schuld sind immer die Anderen, vor allem, wenn sie sich möglichst wenig wehren können. Mit Hass hat das nichts zu tun, dass ist der Pragmatismus einer Mafia-Gesellschaft. Ist nix persönliches, aber Geschäft ist Geschäft.

Eine gewisse Tendenz hin zur Barbarei spürt man ja schon lange. Der Staat verabsäumte, den Kindern aus ärmeren Verhältnissen Bildung beizubringen, die über die Quintessenz hinausgeht, dass man entweder viel Geld verdient und dann ganz toll ist oder wenig verdient – so wie ihre Eltern – und dann auch wenig wert ist. (Die reicheren Kinder haben dagegen keine Ahnung von Armut, sehr wohl aber von ihrem Prestige.)
Das beinhaltet bereits die Wurzel des Faschismus: Zum Status eines materiell geil ausgestatteten Menschen hin, gehen wir über Leichen. (Die einen laufen bereits drüber, die anderen müssen den Leichenhaufen erst machen). Und da die christlichen Kirchen, mit ihrem Schwerpunkt auf Enthaltsamkeit, ebenfalls bei der Bildung versagten; der Islam auch kein besseres Beispiel liefern konnte und das Judentum froh ist, wenn man es in Ruhe lässt, stelle ich auch eine markante Respektlosigkeit gegenüber Schwächeren fest, vor Opfern im Allgemeinen, die im Zuge neuerer Formen der Täter-Verherrlichung zutage tritt.

Cool ist, wer andere bescheißt und Stärke beweisen die, die am lautesten Brüllen – Und würden die nicht mit Statistiken und Aktenordnern werfen, sondern mit Stöckchen, dann könnte man schön sehen, warum der genetische Code des Schimpansen dem unseren so ähnlich ist.

Zufällig kann man auch erlauschen und ersehen, dass es in der breiten Bevölkerung, eine gewisse Skepsis gegenüber Intellektualität gibt. Alte Frauen plärren mit ihren wohl schwerhörigen Freundinnen, dass „die“ zwar so jung, gescheit, studiert seien, aber dennoch wie die Viecher, weil angeblich nur junge „Studierte“ – was in manchen Kreisen beinahe einem Schmähwort gleich kommt – Kebab in der Straßenbahn essen.

Und das (mehr oder weniger) linksintellektuelle Denken haftet einem offenbar wie Stigmata an. Da ging ich heute also mit meiner Mitbewohnerin wählen, als einer der noch jüngeren Männer, die vor der Schule herumstanden, uns beiden „van der Bellen“ nachsagten – in einem beinahe überheblichen, jedenfalls etwas spöttelten Tonfall.

Als ob jeder, der ein Nadelstreifgilet über dem schwarz-silbergrau gestreiften, türkischen Fischerhemd, dazu auf dem rasierten Schädel das verbliebene Oberhaar zu einem Zopf zusammengebunden trägt und jede Frau, die weder Stöckelschuhe noch Make-Up, dafür aber buntes, bequemes Gewand an sich hat, selbstredend die Grünen wählen würde.

Ich habe sie jedenfalls gewählt, wen aber meine Mitbewohnerin ankreuzte, bleibt hier ein Geheimnis.

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