Freitag, 23. Mai 2008

Opfer der Unwissendheit

Unwissendheit schützt vor Strafe nicht, demnach nicht vor Schuld und ebenso nicht vor Handlungen die dem Unwissenden selbst Schaden zufügen. Beispielsweise kann man aus Unwissendheit in eine Falle, die in einem Vertrag lauert, hineinfallen; kann aus Versehen oder aufgrund von Missverständnissen eine Unterschrift mit schlimmen Folgen setzten – wie auch immer: Der Unwissende ist selbst schuld. Der Wissende hingegen, der die Unwissenheit des anderen ausnützt ist unschuldig – ihm wird Erfolg zuteil. Zumindest wenn man sich in der Masse an, über die Masse und von Seiten der Masse geäußerten Vorurteilen umhört und umsieht, kann man zunächst diesen Eindruck gewinnen.

Dass Wissen ein Kapital, auch eine Form von Macht ist, wird jeder alsbald einsehen, auch, dass gleiches Recht für Alle gelten sollte (muss). In unserer Realität haben wir jedoch eine Vielzahl komplizierter Systeme entwickelt, in denen die mit dem meisten Wissenskapital – auch auf ein bestimmtes Feld beschränkt – das Recht vor all jenen auf ihrer Seite haben, die an Wissenskapital ärmer sind.

Der Begriff des „Opfers“ wird dieser Tage – meiner Wahrnehmung nach – immer stärker mit dieser Eigenschuld verknüpft, was im Grunde unserem angestrebten Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis zuwiderlaufen sollte. Hat nicht bereits Cicero, als „Pragmatiker“, nach den philosophischen Vorgängern der Wissenschaft vom Staate festgestellt, dass eine Gesellschaft ohne Gerechtigkeit keinen Bestand haben kann? Wie weit müssen wir von dieser Erkenntnis entfernt sein, wenn die Masse der Ansicht ist, dass die Gerechtigkeit immer in Händen des Stärkeren liegt, welcher in unserer Gesellschaft gleichsam der Reichste ist - sowohl an Geld-Kapital, wie auch an Wissenskapital. Welch eine geistige Mentalität wächst da heran, wo in sämtlichen Foren und Chats, das Wort „Opfer“ als herabwürdigendes Schimpfwort gebraucht wird? Und das, bei all der emsigen Verteidigung des christlichen Abendlandes. Jesus war ein Opfer und er erkannte sich selbst in all jenen Armen, Schwachen und Hilflosen, mit denen wir gleichsam ihn selbst aufnehmen, beherbergen, verpflegen, schützen und unterstützen, sowie ihnen zur Gerechtigkeit verhelfen. Aber mit der Kultivierung des „Opfers“ zum Sündenbock, zum schwächsten Glied, von dem wir meinen, es in sozialdarwinistischer, faschistoider Weise zu Recht zu missbrauchen, verstoßen wir den, der nach Meinung von ca. 2,1 Milliarden Christen, der Sohn des einen Gottes ist, dessen Inkarnation auf Erden selbst war. Und wir zerlegen, einem wütendem Kinde gleich, unsere Zivilisation und so genannte „Wertegesellschaft“. Schon wieder!

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