Freitag, 23. Mai 2008

Liberalisierte Zwiebeln

Heute war ich im Supermarkt Zwiebeln kaufen, was wenigstens für mich – als anerkanntem Zwiebelkoch – recht aufregend war. Immerhin warte ich seit Längerem auf eine Gelegenheit, solch kulinarisches Basisgewächs einzukaufen, ohne auf Bestände aus der Volksrepublik China zugreifen zu müssen, und auch keine sonderlich langen Wege, vom heimatlichen Kühlschrank aus, unternehmen zu müssen. Heute war es endlich soweit: Da gab es u.a. Zwiebeln aus Holland. Ich weiß nicht, ob es in den Niederlanden ebenfalls illegale Arbeitnehmer gibt, die für einen winzigen, unsicheren Lohn, unter miesen Arbeitsbedingungen, Gemüse-Großbauern gewaltige Summen ersparen – wie es jedenfalls und beispielsweise in Spanien/Almería der Fall ist, doch gehe ich noch nicht davon aus.

Ebenfalls aufregend: Die - übrigens - "weißen" Zwiebeln aus Holland(1) – von denen man keinen Tulpenwuchs erwarten muss – kosteten um 40 Cent mehr, als die Zwiebeln aus NEUSEELAND(2). Ich wusste dass man dort wunderbare Natur-Filmkulissen vorfindet, aber nicht, dass das unterirdische Nahrungsgewächs des Pazifiks eine so unwiderstehliche Bedeutung für Europa hat. Ich kenne die heimische Vegetation und die klimatischen Bedingungen gut genug, um zu wissen, dass wir auf einen Eigenanbau von Kiwis, Bananen und Litschis noch ein paar Jahrzehnte warten müssen, ehe sich das Klima entsprechend erwärmt hat. Dass aber ausgerechnet die europäische Allround-Küchenzutat Zwiebel von der anderen Hemisphäre her importiert werden muss, wo doch in den nachbarlichen Schreber(Klein)gärten so herrliche Exemplare den Beweis für die Unnötigkeit dieses Vorgehens antreten, übersteigt mein ohnedies geringes Verständnis für den „liberalisierten“ Warenverkehr (vor allem wenn man bedenkt, dass Zwiebeln freier - oder liberalisierter - sind als Menschen).

PS: Die Zwiebeln aus Holland und Neuseeland stammten von der selben Abpacker-Firma aus dem Marchfeld (Niederösterreich), dem hiesigen Gemüse-Eldorado und sahen völlig gleich aus.


1)Strecke per Straße, von Wien bis zur niederländischen Grenze: ca. 1000 Km.
2)Strecke per Luftlinie, von Wien nach Auckland: 17.843 Km.
Differenz: 17.843 km - 1000 km = -40 Euro-Cent für den Endverbraucher, basierend auf dem logisch nachvollziehbaren System von Angebot und Nachfrage

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