Mittwoch, 12. März 2008

Wurst-Politik

In Österreich stehen Neuwahlen, zurzeit noch inoffiziell, an der Schwelle zur Realität und in Deutschland streiten sich die Mittel-Linken, über eine Annäherung zu den völlig Linken. Parteiintern und zwischenparteilich eine Zeit, die offenbar im gesamten deutschsprachigen Raum ganz im Frühlingserwachen des Zanks steht. Und nicht nur die SPD durchwühlt sich dabei selbst; die Sozialdemokraten Österreichs sollten sich ebenso fragen, ob eine innerparteiliche Personalreform nicht allmählich an der Zeit ist.

Ähnliche Bedenken hegen Regionalpolitiker der ÖVP über ihre eigene Partei und würden weder Vizekanzler Molterer (ÖVP) noch Bundeskanzler Gusenbauer (SPÖ), die sich derzeit die Macht an der Spitze der Regierung teilen, eine Zukunft in ihrer derzeitigen Position geben, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Offenbar haben sie diese aber nicht. Denn, obwohl die Parteipolitik in der EU der Demokratie und dem Parlamentarismus dienen soll, fehlt eine Demokratie-Kultur – die diese Bezeichnung verdient – in den jeweiligen Parteien. Sie ging irgendwo zwischen Partei-Gründung, dem kollektiven Kriechen hin zur analen Öffnung von Förderern, Freunderlwirtschaft und interner Machtgeilheit bei Chance auf Mandaten verloren und ist wahrscheinlich mittlerweile irgendwo verhungert oder zumindest debil geworden.

In der SPD zeigt sich hingegen die parteiinterne antidemokratische Kultur in der Art, wie mit Mitgliedern umgegangen wird, die eine eigene Meinung haben und diese darüber hinaus vertreten. Dagmar Metzger verweigerte ihrer Chefin Ypsilanti die Zustimmung zur Regierungsbildung mittels „Unterstützung“ der Wirklich-Linken und geriet deshalb durch ihre Kollegen unter Druck.

In Österreich steigert sich ein gleichsam verteilter Druck innerhalb der Koalition. Da aber dieser auch dadurch erhöht wird, da einzelne Mitglieder der jeweiligen Parteien, wie gleich geschalten, dasselbe destruktive Protzen und Grölen gegen den Gegner loslassen, legt sich der Verdacht nahe, dass die Streithähne und Streithennen im vorauseilenden Gehorsam, also aus parteiinterner Motivation heraus, handeln. Offenbar wird es als notwendig erachtet, das Verhalten erwachsener Menschen in einen unreifen Ausdruck der Hoffnung auf Image-Verbesserung zu transformieren, um dadurch die eigene Partei vermeintlich zu unterstützen.
Natürlich bin ich nicht naiv genug, um zu glauben, dass man ohne Schleimerei, Ideologieverwirrung, oberflächliche Sicht- und Ausdrucksweisen, sowie Unterstützung der Ignoranz nur mit viel Glück eine Karriere als Politiker starten kann. Menschen denen dies gelungen ist, gelten als leuchtende Vorbilder der Geschichte, Menschen denen dies nicht gelingt, als völlig normal.

Wer sich da noch wundert, dass Kindergarten-Pädagoginnen und –Pädagogen sich aus Versehen oftmals ins Parlament verirren, hat vermutlich auch noch nicht bemerkt, dass dank dieser Situation, den potenziellen Wählern die Politik immer mehr gleichgültig ist. Wer sich nicht mehr wundert, gehört vermutlich bereits zu jenen, denen es mittlerweile Wurst ist und die, wenn überhaupt, nur noch die Rechts-Populisten zu wählen wissen; die haben wenigstens kein Programm, weshalb man davon auch nicht enttäuscht werden kann.

Die Wurst-Politik, im Angesicht des Jubiläums der Machtübernahme Hitlers in Österreich vor 70 Jahren, sollte aber die Wähler nicht zu Wurst-Menschen werden lassen, sondern daran erinnern, wohin Wurstigkeit letztlich führen kann. Und dorthin kann ebenso parteiinterne unreflektierte Angepasstheit, automatisierte Hörigkeit und mangelnde Freiheit im Geist, zugunsten der parteipolitischen Arschkriecherei, hin führen. Ich möchte in jedem Fall nicht mein Land von Menschen regiert sehen, die nicht die Courage haben, gegen den Strom ihrer eigenen Reihen zu schwimmen, wenn es die Situation und die menschliche Vernunft verlangen.

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