Montag, 24. März 2008

Oh, Ostern! II

Kommentar zum Artikel "Die synthetische Kraft", von Michael Fleischhacker, Die Presse - Ostern 2008


Zweites Ärgernis dieser feiertäglichen Verlängerung waren die dazugehörigen Festtagskommentare einer bestimmten Zeitung. Im Grunde war es zwar nur ein Artikel, doch dieser prangte an der Titelseite und warum das so schlimm ist, erklärt sich unter anderem durch den Umstand, dass es nur zwei österreichische Tageszeitungen gibt, die man lesen kann. Für mich gibt es ab vergangenem Osterwochenende nur noch eine und das treibt mich wieder einmal in eine linke Ecke und unter ein beigefarbenes Licht (von denen manche behaupten, es wäre rosa).

Schuld daran ist ein gewisser M. Fleischhacker, der seinem Nachnamen zum Schreibberuf gemacht zu haben scheint. Ich will nicht auf Einzelheiten des Artikels eingehen, denn das würde zu lange dauern und mein Blutdruck mit Überdruck belohnen. Brocken des medialen Specks, die er da aus dem öffentlichen Kenntnishorizont gerissen hat, beginnen mit Osama Bin Laden – der darf nämlich nirgends fehlen, seit er sich mit Drohungen auf die Weltbühne zurück-erpresst hat, und er wird erwähnt, so weit hergeholt der Zusammenhang zwischen ihm und der jeweiligen Thematik auch sein mag. Fleischhackers Bin Laden-Kontext ist zwar nicht ganz so weit hergeholt und auch sein Schreibstil bleibt als professionell zu bezeichnen, doch eben diese Form der Professionalität, eines offensichtlich katholischen Redakteurs, die darauf abzielt mit aller Gewalt einen Themenbezug zwischen Ostern und Welt-Problematiken zu zimmern, ist störend.

Aber ich gehe bereits zu sehr ins Detail. Das Werk beginnt mit dem Begriff „identitätspolitisch“, hangelt von Ratzinger zum „Terrorpaten“ (Bin Laden) und zurück, zwischen soziologischen Schubladen über abenteuerlichen Abgründen der Geschichts-Interpretation, und landet neben einem unterschwelligen Haufen an Schuldzuschreibungen, gegenüber den Generationen der letzten vier Jahrzehnte, seit den 1968ern, bei jener Erkenntnis die er – wohl unbewusst – bereits in einem Satz, mitten im Text, vorweg genommen hatte: „Je mehr die europäischen Wert- und Gesellschaftsordnung, die auf hellenischen, jüdischen, christlichen und aufklärerischen Traditionen beruht, von innen und außen unter Druck kommt, umso wichtiger wird die Kirche als Hüterin des Europäischen. (M.Fleischhacker – Die Presse)“
Dass sich in diesem Satz ebenso eine enorme eurozentristische Kurzsichtigkeit verbirgt, ist nur weniger beängstigend – diese bin auch noch unter manchen Geisteswissenschaftern gewöhnt. Eher beängstigend ist, dass der Druck von innen, nach Fleischhacker und somit aus christlich-konservativer Richtung, scheinbar den europäischen Bürgern anzuschulden ist, welche sich „(…) mit nichts beschäftigen mussten als der einigermaßen schmerzfreien Administration der Wohlstandsverwahrlosung ihrer Kinder.“, ein Bürger der glaubt „(…) er könne in diesem wohligen Nest der Sicherheit ein maximales Maß an Freiheit genießen.“

Wo das hinführen sollte, muss man den Auto selbst fragen. Der Bürger ist für schuldig befunden, die katholische Kirche zu vernachlässigen, die ja nur die größte Glaubensgemeinschaft unter den Christen ist, die wiederum die Religion mit den meisten Anhängern ist, was wiederum der Rolle der Kirche während der Kolonialzeit zu zuschreiben ist. Außerdem ist der Bürger schuldig, weil er sich nicht, in Angst vor Bin Laden und Co, vor die Füße des schützenden Papstes wirft, welcher nach Meinung der Zeitung, das „Absolute“ vertritt, das sich seit den Bürgerrechtsbewegungen in aller Welt gegen den „Relativismus“ „verteidigt“. Und er ist so vermessen, dem Staat jene Verantwortung zu zuschreiben, die ihm zusteht. Vielleicht meinte er gar nicht – ebenfalls unterschwellig – dass diese Verantwortung auf jedem einzelnen Bürger lasten sollte, was sie vermutlich nicht tut, denn eine Teuerungsrate gibt wahrscheinlich in Wirklichkeit nicht und die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlt offenbar die Caritas, und sollte das Unsinn sein, macht nix, die Mittelschicht schrumpft ohnehin. Vielleicht meinte er, also, dass die Kirche wieder mehr Verantwortung für die Regelung des Sozialstaates, des kollektiven Miteinanders im wie er es so schön bezeichnet „Abendland“ (wie er es so schön bezeichnet) übernehmen müsste, und damit auch wieder mehr Kontrolle.

Fazit dieser letzten Titelseite einer von mir erworbenen „Presse“: Ohne Kirche wären wir Europäer nichts – auch wenn die dort erwähnten Hellenen keine Christen waren, Galileo, Kopernikus und andere sich ohne Kirche einige Schwierigkeiten erspart hätten, wenn der „heilige“ Stuhl nicht auch ein machtpolitischer Apparat wäre, es Mauren waren, welche alte antike Schriften und nebenbei das, aus Indien übernommene, Dezimalsystem nach Spanien importierten und einige wichtige Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts, wie Albert Einstein (der große „Relativierer“), Juden waren – gegenüber denen der Papst unlängst etwas taktlos war (nicht unbedingt aufgrund des Wortlautes, sondern vielmehr aufgrund seiner historischen Symbolwirkung). In diesem historischen Zusammenhang darf man auch nicht vergessen, welche Institution über Jahrhunderte beinahe ganz Europa fest im Griff hatte, bevor man argumentieren möchte, dass viele große Menschen ihre Leistungen einst der Unterstützung der Kirche verdanken.

Allerdings: Die katholische Kirche ist ein großer Apparat, mit vielen Gesichtern und Gedanken und es gibt keinen Topf, der groß genug wäre, keine Schublade die passen würde, um all das, was Kirche ist oder sein könnte, dort hinein zu stopfen. Auch wenn ihre Helden – die gab es zweifellos - nur selten zum „heiligen Vater“ gewählt wurden und sicher noch seltener in der Glaubenskongregation saßen.

Für all die anderen also, für jene die Kirche außerhalb von Bürokratie, versteiften Dogmatismus, eurozentristische Überheblichkeit, religiösen Chauvinismus und machtpolitischen Interessen sehen, für alle die liebe HIV/AIDS bekämpfen, als die Aufforderung sich zu vermehren – bei über 6 Milliarden Menschen - all zu ernst zu nehmen – für all jene sollte man Grund haben, Ostern zu feiern. Deren Kirche hat es nämlich nicht notwendig, sich dermaßen unbescheiden in den szenischen Mittelpunkt Europas zu drängen.

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