Montag, 17. Dezember 2007

Ja, ja...! Beispiel Unvernunft

Stellt sich die Frage nach dem Ideal der Vernunft und ob man nun beginnen sollte Kant zu zitieren, wenn man nicht möchte, dass aus dieser noch mehr Fragen entstehen.
Versuchen wir es mit einem Beispiel ohne Bange vor Kontroversen: Wenn der österreichischen Innenminister Platter die als Einziger bestimmen darf, ob Arigona Zogaj – gebürtige Kosovarin und sozialisierte Oberösterreicherin – in Österreich bleiben darf oder nicht, ist das an sich unvernünftig. So unvernünftig wie der Absolutismus auf der Basis feudaler Machtstrukturen. Wenn ein Volk sämtliche Entscheidungsbefugnisse an eine Institution, offiziell geführt von einer Person, abgibt, braucht es sich nicht zu wundern oder ärgern, wenn es nur eine Person in einer zentralen Institution der Alleinherrschaft braucht, um das ganze Volk in den Abgrund zu führen. In der Regel bemerken Abwärtsfahrten alle jene Mitglieder einer Gesellschaft am frühesten, die sich an ihren Rändern befinden; also die Eliten, die sie zu verantworten haben und die Minderheiten auf der anderen Seite des Rechts- und Machtspektrums, da diese sich am wenigsten wehren können.


Die junge Frau Zogaj gehört zu einer solchen Minderheit, wobei der einzige Unterschied zu ihren Altersgenossinnen, die in Österreich bleiben dürfen, darin besteht, dass sie neben Deutsch und Englisch auch Albanisch spricht und über keine Staatsbürgerschaft verfügt. Das muss man schon wissen, wenn man die Entscheidung Platters nachzuvollziehen versucht, der Arigona Zogaj nun gnädigerweise erlaubt ihren Schulabschluss in Österreich fertig zu machen (ohne sich zu fragen, wovon die 15jährige bis dahin allein mit ihrer Mutter, die keine Arbeitsgenehmigung hat, leben soll), sie aber dennoch nicht in Österreich mit ihrer Familie leben lässt. Begründung: Weil es ein falsches Signal an Ausländer (aus ärmeren Ländern) wäre, wenn sich der Innenminister gnädig erwiesen hätte, da diese sonst annehmen könnten, es wäre all zu leicht in Österreich zu immigrieren, was nicht gewollt wird. Diese Annahme klingt zwar logisch, ist aber bei genauerer Betrachtung nicht nur schwachsinnig, sondern auch recht zynisch. Sieht man vom jüngsten EU-Menschenrechtsbericht über Österreich ab, hat man immer noch genug Indizien dafür, dass Zuwanderung in Österreich kein lustiger Ferientrip ist.


Ja! Natürlich gibt es Länder in denen es menschenrechtlich schlimmer zugeht, aber wir müssen Österreich nicht unbedingt mit Israel/Palästina, der US-Konklave - mit kubanischer Genehmigung – Guantánamo oder Russland vergleichen. Wir müssen Österreich mit gar keinem anderen Land vergleichen, um die Unvernunft des österreichischen Innenministers festzustellen.


Aber zurück zum Schwachsinn: Menschen, die alles auf sich nehmen, um ihr eigenes Land zu verlassen und in einem anderen ein besseres Leben zu beginnen, werden sich nicht durch die Abschiebung Arigona Zogajs davon abhalten lassen. Immerhin versuchen österreichische Exekutivebeamte und Regierungspolitiker schon seit Jahren über Repressionen und Gewalt zukünftige Glücksritter der Migration abzuschrecken und schrecken dabei ihrerseits nicht davor zurück, Schubhäftlinge irrtümlich zu töten und Personen einer bestimmten Kategorie unter Generalverdacht mit Haftfolge zu stellen.


Hat’s etwas gebracht? Ein wenig weniger Zuwanderung, meinen die Experten der Statistik, deren Berechnungen von den Politkern jedoch immer vom „Aber“ befreit werden. Zudem negative Kritik gegenüber Österreich von internationalen und nationalen Menschenrechtsorganisationen.


Doch was bewirkt die Abschiebung der Familie Zogaj des Weiteren? In Österreich, wie in vielen europäischen Ländern, wird über schwache Geburtenraten geklagt, während Platter eine 15jährige Österreicherin per Sozialisation aber ohne Rechte, mitsamt ihrer kinderreichen Familie über die Outlinie ihrer Existenz befördert. Arigona Zogaj hat sich in ihrem Kampf um Bleiberecht als mutig, stark und einfallsreich bewiesen, weshalb ihre Abschiebung in mehrfacher Hinsicht als Verlust unseres überalternden Landes zu sehen ist.


Bei Platter selbst bewirkt es natürlich ein paar Pluspunkte mit Sternchen bei seinen Parteikollegen und einem grossteil seiner Klientel. Vor den Parteikollegen und unter Berücksichtigung gewisser Regeln des politischen Spielbrettes, hat sich der Innenminister als konsequenter, unerschütterlicher Holzkopf, also als Dickkopf, ausgezeichnet. Für etliche ÖVP-Wähler, die man seit Schüssels Koalition mit den Rechtspopulisten kaum noch von deren Wählern auseinander zu halten weiß, hat er sich als Held des armen Österreichers hervorgetan, der diesen vor der Konkurrenz durch fleißige, motivierte, Kinder gebärende, Familienorientierte, nicht vom Alkoholismus völlig zerstörte Zuwanderer behütet.


Die Entscheidung Platters war letztlich keine Überraschung, da er sich keine Schwächen erlauben darf und von seinem ursprünglichen, negativen Entschluss über die Aufenthaltsbewilligung der Zogajs deshalb nicht absehen konnte. Als Alleinherrscher über die Asylbewilligungen ist klar, dass er seinen absolutistischen Vorbildern aus dem Geschichtsunterricht nacheifert – Von denen hatte auch keiner Schwächen gezeigt, sondern eiserne Härte bei der Umsetzung ihres Willens und gelegentlich ein paar Gnadenakte als Zuckerguss, damit die Volksseele ihrer nicht zürnte.


Aber ist ein Mann vernünftig, wenn er in seinen Entschlüssen hart bleibt, weil er Angst hat vor seinen Kollegen als Hosenscheißer oder wankelmütiges Weichei dazustehen, wenn er es sich anders überlegte; obschon ihm gezeigt wurde, dass seine Entscheidung unbegründet und unmenschlich ist?


Nein. Ein solcher Mann ist entweder sehr junger Mensch, den niemand zu innerer Reife führen konnte, ein älterer Mensch der an seine Unreife erkrankt oder einfach Unvernünftig. Ein solcher Mann ist unser Innenminister Platter und ein grossteil seiner verlogenen Kollegen, bis auf seine Kolleginnen natürlich, denn diese sind Frauen solcher Art. Ein reifer und vernünftiger Mensch würde sich nicht aufgrund von Spekulationen und wagen Ängsten, vor menschlichen Entscheidungen des Mitgefühls gegenüber Unschuldigen, Ungefährlichen und Hilfesuchenden drücken.


Dies ist also ein Beispiel für jemanden, der sich mit den Idealen der Vernunft noch einmal auseinandersetzten sollte, zu denen hin es vielerlei Pfade gibt. Mehr darüber beim nächsten Mal, wenn wir der Frage nachgehen wollen, ob wir in den Medien zur weltpolitischen Lage ein Beispiel für vernünftiges Handeln überhaupt finden können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schreib dich aus