Freitag, 12. Oktober 2007

Rechthaberei in den blinden Augen der Justitia

In der Sondersitzung, die am 10. Oktober vom Parlament getätigt wurde, herrschte der normale Wahnsinn solcher Veranstaltungen. Es wurde viel und gereizt gesprochen, die Redezeiten bis über das Erlaubte hinaus ausgedehnt, sodass Alexander Zach, als letzter Redner, nur noch eine Minute Rest-Redezeit zur Verfügung hatte. Was doppelt schade war, denn der Bundessprecher des Liberalen Forums (Klub SP) brachte erstens eine der seltenen Reden, die mir vernünftig erschienen, zweitens waren viele Abgeordnete gegen Ende der Sitzung nicht mehr bei der Sache – oder anwesend – um diesem Restverstand im Parlament zu lauschen. Das gerade Zachs Äußerungen, dem strapazierten Zuhörer-Gehirn und der arg belasteten politischen Seele, Erfrischung brachten, lag sicher nicht an der notgedrungenen Kürze seiner Rede. Seine Hinwendung zu den Menschenrechten, war, obwohl es banal erscheinen mag, ein Lichtblick. Viel erhellender wurde der Fall, nach dieser Sondersitzung, einfach nicht.
Auch die Ansprachen von Darabos und Hlavac (SPÖ) enthielten die Bemühungen, die gesamte Diskussion in eine konstruktive Richtung zu führen, auch wenn sich über einzelne Inhalte streiten lässt. Immerhin: Gerade diese Möglichkeit der An- und Begreifbarkeit von Argumenten, gehörte zu den rhetorischen Höhen des politischen Afterlunchs. Man könnte zwar glauben es sei das Mindeste, dass wir verstehen, was man uns, weshalb und wie, zu sagen beabsichtigt. In dieser Sondersitzung war Verständlichkeit, bei eingeschaltetem Intellekt, jedoch das Äußerste das man erwarten konnte.

Ich könnte detaillierte Aussagen der Sondersitzung einschieben, um den Unterhaltungswert meines Schreibens - und ab und an die Gänsehaut der Leser - zu steigern. Zusammenfassend sei gesagt: Die Grünen sind über die gesamte Fremdenpolitik sehr verärgert, vor allem aber über die SPÖ, die das Fremdenrechtspaket 2005 ermöglichten, was diese wiederum als irrelevant darstellen, da der Fall Arigona Zogajs und ihrer Familie, davon nicht betroffen sei. Die SPÖ erwähnte bei jeder Gelegenheit den fehlenden Asyl-Gerichtshof, den man ihnen, für die Unterstützung des erwähnten Fremdenrechtspaketes, versprochen hatte und plädiert für Menschlichkeit angesichts der Fremdenrechtslage (nicht wörtlich, jedoch sinngemäß).
Die ÖVP konnte nur wenig zum eigentlich Fall sagen, da sie alle Münder voll zutun hatte, ihren Innenminister Platter zu verteidigen, gegen den die Grünen ihren Misstrauensantrag gestellt hatten. BZÖ und FPÖ wiesen auf alle erdenklichen Straftaten irgendwelcher Asylwerber und auf die illegale Einreise der Zogajs hin. Zudem erinnerten sie daran, dass Härte gegen Asylschwindler sein müsse und dass ohnehin alle nach Österreich gelangenden Asylwerber, die Republik auf illegale weise betreten, da sie, laut Flüchtlingskonvention, eigentlich im ihnen am nächsten liegenden, sicheren Land ihren Antrag stellen müssten, was aus geografischer Sicht unmöglich unser Land sein könne. Man lies auch die Meinung wage durchscheinen, dass jeder Asylwerber, der auf illegale Weise nach Österreich gelange, ein Asylschwindler sei. Damit ist die Sache klar und ein viel sagendes Verhalten legte Alexander Van der Bellen an den Tag, der H.C Strache bereits zu ignorieren begann, bevor der überhaupt ans Rednerpult durfte – seine Zwischenrufe hatten dem Grünen-Chef bereits genügt.

Worum ging es?
Die Grünen forderten, im Lichte der medialen Aufmerksamkeit, Amnestie für jene bereits abgeschobenen und von der Abschiebung bedrohten Asylwerber, die sich bereits länger in Österreich aufhalten und als integriert gelten.
Dem geltenden Recht nach, gibt es keine Verpflichtung der zuständigen Behörden, diesem Vorschlag nachzukommen, weshalb sich vor allem ÖVP, BZÖ und FPÖ in der Sondersitzung auf folgende, grundlegende Aussage verließen: Gesetz ist Gesetz.
Dieser nichts sagende Satz, beherrscht in verschiedenen Variationen den Volksglauben. Im Prozess der Nationalratssitzung wurde er zum Manifest des nationalen, völkischen Lagers.
Die Abgeordneten der SPÖ vergaßen nicht, auf den notwendigen Mittelweg zwischen Gesetzestreue und Menschlichkeit hinzuweisen. Aber genau da liegt das Problem, dass sich allein durch die Aufforderung, im Antlitz human-problematischer Regelungen willkürlich Gnade anzuordnen, nicht lösen wird. Das äußerten die Grünen zwar, machten sich durch ihre emotional aufgeregten Reden jedoch leicht angreifbar, für die Gegenargumente der Kontrahenten.

Gesetze müssen hinterfragt werden. Wer hat sie, warum und wie zur rechtlichen Realität werden lassen? Im Fremdenrechtspaket 2005 sind die Interessen einer Regierung gewahrt, die durch die Beteiligung einer rechtspopulistischen Partei – aus der später Zwei wurden – international, wie national, umstritten war. Welche negative Einstellung gegenüber Immigranten, aus ärmeren Regionen der Erde, diese umstrittene Regierung an den Tag legte, ist bekannt. Wenigstens die Umsetzung des Pakets, erschien formell und bürokratisch korrekt.
Die Verantwortlichen für die Situation der abgeschobenen Asylwerber haben das Recht auf ihrer Seite. Aber haben sie auch Recht, wenn sich ihre Entscheidungen - angesichts der realen, menschlichen Konsequenzen - ausschließlich durch ihre selbst gemachte Rechtslage verteidigen lassen? Genau diese Frage konnte in der Sondersitzung nicht einmal konkret gestellt werden, was nicht nur daran lag, dass Politiker häufig allergisch gegen Selbstkritik sind (was nun mal eine Berufskrankheit ist).
Exemplarisch für alle anderen ÖVP-Abgeordneten hatte Ex-Kanzler Schüssel, der seinen Innenminister herzlich lobte, da dieser sich an seine – also Schüssels – Gesetze hielt, gezeigt, dass er sich eine Position am rechten Rand erlauben kann, ohne dabei sein Make Up des bürgerlichen Hausverstandes zu verwischen. Auch wenn sich seine Partei selbst nicht mehr als christlich bezeichnet: Bei dieser Form der Austro-Christlichkeit würde sich Jesus im Felsengrab wälzen, wäre er nicht auferstanden und gen Himmel gefahren.

Worauf will ich hinaus?
Justitia ist blind. Sie benötigt menschliche Augen um zu erkennen was sie bewirkt. Wir sollten daher bedenken, ob Familien, wie die Zogajs, aufgrund der Methoden ihres illegalen Grenzübertrittes beurteilt werden sollten.

Die rechten Randgruppen glauben, dass diese Methoden und die verbotene Einreisen an sich, den Schlepperbanden als Bestätigung ihres Handels gelten würden, worauf noch mehr Menschen nach Österreich einwandern könnten. Diese spekulative Überlegung ist jedoch irrelevant, da die zukünftigen Hilfesuchenden, genauso wenig wie die Gegenwärtigen, nicht den Verbrechern gleich verurteilt werden können, denen sie in ihrer Not ausgeliefert sind und waren. Vielmehr sollten wir ihre Situation, ihrer Not nach, beurteilen und hierbei frage ich mich, ob das notwendigerweise akzeptierte Mindestmaß an Flüchtlingskonvention genügt. Ein Mensch muss nicht unbedingt von Krieg oder Tod bedroht sein, um sich in einer Notsituation zu befinden. Was ist falsch daran Wirtschaftsflüchtlinge bei sich aufzunehmen? Das einzige was dagegenspricht, ist ein Gesetz, dass von Politikern verabschiedet wurde, die in dieser Sache nicht unvoreingenommen wie die blinde Justitia waren. Sie hatten die Möglichkeit, ihre persönliche, ihre menschliche Sicht auf die Asylwerber in Notsituationen, in das Gesetz einfließen zu lassen. Was spricht also dagegen, wenn dieses Gesetz aus menschlicher Sicht all jener verbessert wird, die keine voreingenommene Meinung von Asylwerbern haben? Ohne Vorurteil nämlich, kann man sich die vernünftige Frage stellen, ob das Bleiben – vielleicht sogar die Einbürgerung – integrierter, kinderreicher Familien, wie der Zogajs, Österreich in irgendeiner Weise schadet. Mein Eindruck ist vielmehr der, dass das Land von solchen Familien profitieren kann. Weniger profitabel erscheint es mir, sie mit einem Kerosin verschleudernden Flugzeug und erhöhtem Beamteneinsatz außer Landes zu schaffen.

Von Arigona Zogaj haben wir bereits profitiert. Sie hat uns unsere politische Wachheit wieder gebracht.

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