Sonntag, 21. Oktober 2007

Der Schwachsinn

Schwach ausgeprägten Sinn stiften zuweilen hohe Beamte des Staates, wenn sie im politischen Diskurs, gar während einer Sitzung des Parlaments, unzureichend Argumentieren.
Die Argumente des Gegners werden ohne Weiteres als Schwachsinn, Gemeinheit, Verrat oder Inkompetenz verklärt, man scherzt auf Kosten des Anderen, man verhöhnt, polemisiert ohne Witz und witzelt ohne Intelligenz. Diskussionen werden nicht über Themen-Inhalte geführt, sondern über Themen-Werte, über die wie auf einem Viehmarkt, lauthals plärrend, verhandelt wird. Die Waren beinhalten politische Entscheidungen, die Währung ist des Wählers Gunst.
Mit derben Sprüchen wird feilgeboten, was uns allen gehört. Wie in der Werbung wird gelogen, wie auf dem Schlachtfeld des Weltmarktes wird überboten, überschwemmt und übertrieben, worüber geurteilt werden müsste.
Man findet es nicht unschicklich, in seinen Reden zu übertreiben und zu verzerren, bis das Gesagte gerade noch keine nachweisbare Lüge oder Beleidigung formt, jedoch auch nicht mehr als Wahrheit oder Anstand zu erkennen ist.
Ein Balanceakt zwischen der Klage wegen Beleidigung und dem rhetorischen Faustballen, das den Schlag gegen den Wählerverstand übt. Ein Balanceakt der die gesamte Aufmerksamkeit des Sprechers fordert, sodass keine Kraft mehr da ist, für Inhalte und Ideen. Inhaltslose Geschwätzigkeit und gehaltvolle Rechthaberei, die keine Bewertung mehr benötigt, beherrschen einen faulen Prozess politischer Entscheidungsfindung in diesem Land.
Politiker, die sie sich einer solchen Redeweise bedienen, versuchen nicht nur Personen zu gefallen, die auf solchem Niveau denken, kommunizieren und handeln. Sie erhalten und fördern zugleich ein zu geringes Niveau im Bereich politischen Denkens, Kommunizierens und Handelns.Man muss sich fragen, wie weit ein Land mit einer solchen Elite von Parolenklopfern kommen kann. Die Stimme des Intellekts ist leise, sprach Sigmund Freud und floh jäh vor dem Regime der Hohlköpfe. Ich aber kann nicht entkommen, weil das Gelabere, das von oben schallt, von unten reflektiert und tausendfach zurückgeworfen wird.
Wenn das politische System sich zwar geändert hat, aber das intellektuelle und kulturelle Niveau, seit 100 Jahren, von Veränderung nichts wissen will, gilt dann nicht zu befürchten, dass das System nur an der Oberfläche besteht, die jederzeit aufplatzen kann, um die grauenvollen Mutationen austreten und wuchern zu lassen, die sich darunter verbergen?
Zuweilen fürchte ich, dass sich ausschließlich die Rahmenbedienungen geändert und eine demokratische Republik ermöglicht haben, während der politische Wille im Großen immer noch die Macht des Egos über den Sinn der Gemeinschaft stellt. Zwar wird mit den Mitteln gearbeitet, welche die Rahmenbedingungen gewähren, doch auch wo ein schlechter Wille ist, ist ein Weg.
Sind die mahnenden Vergleiche mit der Zeit des Regimes so unpassend, wenn man befürchten muss, dass ausschließlich die rechtlichen Möglichkeiten seiner Wiederkehr auf beinahe Null reduziert wurden, nicht aber die Kräfte, welche ein solches Regime ernähren?

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