Mittwoch, 11. Juli 2007

Statement zu österreichischen Verdrängungsgestezten

Die Historikerin Heidemarie Uhl war zu Gast in der Radiosendung „Von Tag zu Tag“ auf Ö1 und sprach mit Moderator Johann Kneihs über die unterschiedlichen Erinnerungen zum Nationalsozialismus in den einzelnen Familien. Die Feststellung des Mangels an Erinnerung und Aufarbeitung in vielen österreichischen Verwandtenkreisen wurde nicht nur durch das Gespräch mit der Historikerin gestärkt. Ich schaltete erst zur Halbzeit der Sendung ein und konnte dennoch mit anhören, wie ein älterer Anrufer in originalem Beamten-Wienerisch, sich darüber beklagte, dass man nicht frei zum Verhalten der Wehrmacht sprechen könne, da die Soldaten im Grunde keine Verbrechen begangen hätten und eine solche Behauptung verboten sei. Sodann wurden die Verbrechen der Nazis und ihrer Wehrmacht, mit den Verbrechen der Roten Armee in Relation gestellt und der Kontrast des Unterschiedes gezeichnet, in dem der Anrufer zu wissen glaubte, dass die Wehrmacht keine Verbrechen begangen hätte.
Er wäre wohl weiter mit der altbekannten Melodie gegangen, wenn Johann Kneihs nicht unterbrochen hätte.
Das Thema der Sendung befasste sich mit den Taten des NS-Regimes, dennoch wurde auch durch den darauf folgenden Anruf einer älteren Dame, nur von den Gräueltaten durch Stalins Soldaten berichtet, wenn diesmal auch basierend auf den persönlichen Erlebnissen des Vaters.

Beide relativierenden Statements wurden von Menschen beigebracht, die zur Zeit des NS-Regimes Kinder waren und so erschienen sowohl die historische als auch die persönliche Sichtweise jener beiden wie eine kindliche.
Es lässt sich kein Gegenbeweis anführen, der jenen Major der Sowjets entlastet, welcher den Vater der Anruferin täglich mit seiner Dienstwaffe bedroht haben soll, da kein Alkohol im Hause war. Doch dies sagt nichts Relevantes über die Gräueltaten der Hitler-Soldaten aus.

Beim Gott der Weisheit, der die Menschen liebt und ihr Schöpfer sein soll: Wie können so viele in dieser Zeit des Friedens sitzen und behaupten, es gäbe Entschuldigungen und Gründe für den menschgemachten Schrecken, den wir Krieg nennen?

Nennt sie Wehrmachtsoldaten, sie marschierten dennoch für Hitler. Nennt sie Rotarmeesoldaten, sie kämpften dennoch für Stalin.

Was das bedeutet hatte, für Hitler zu marschieren, für Stalin zu kämpfen, sollte nicht leichtfertig in die Vergessenheit gedrückt werden. Doch vor allem meine so genannten „Landsleute“ – was auch immer dieses Wort bedeuten mag – sollten die durch Schuld bewirkte Verdrängung ihrer Väter und Großväter, nicht in eigene Lüge und Heuchelei gegen sich selbst transformieren. Lasst jenen alten Narren die fest gefügten Mauern aus Feigheit und Schande bewahren, in denen sie sich festgesetzt haben, wenn sie es so dringlich wünschen. Bleibt jedoch selbst frei genug, euch anhand des Wissens ein Bild zu machen, das euer Verstand zu lesen weiß und eure Zunge zu jene Zauberworte formen lässt, die der verlorenen Generationen des Krieges Einhalt gebieten, in ihrer Rückbeschwörung alter Dunkelzeiten.

Ich schäme mich nicht für meine Großväter, die dem Regime als Soldaten dienten. Doch geniere ich mich für mündige Mit-Wähler, die mit ihrem kleinen Wissen meinen die Wahrheit verstanden zu haben und sich deshalb über selbige erheben zu dürfen. „Wir sind wir“, grölten sie einst und grölen es immer noch. „Wir“ müssen sie sein, denn zum „Ich“ reicht das Selbstbewusstsein nicht, dass einem gesunden Menschen vor den Urteilen der eigenen Überheblichkeit warnen würde. Selbstverleugnung ist ungesund, als ungesunde Einstellung kränkend und als solche bereits eine Volkskrankheit. Wenn diese Krankheit auf die politischen Organe eines Landes wirkt, wundern einen Menschen so manche Entwicklungen nicht mehr. Hoffentlich können sich die Gesunden des Wunderns bald entledigen und Handlungen des Verstehens tätigen.

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